Notstandsgesetz

Im Mai 1968 ist das Notstandsgesetz in 2. und 3. Lesung bundesweit Anlass für zahlreiche Aktionen, die in Frankfurt unter anderem zur Rektoratsbesetzung führt.

Das Notstandsgesetz ist nämlich von Beginn an für die Studentenbewegung ein rotes Tuch.

Chronologie Verabschiedung Notstandsgesetz

  • 1. Lesung: Donnerstag, 29. Juni 1967
  • Sternfahrt nach Bonn, Samstag, 11. Mai 1968
  • 2. Lesung: Mittwoch, 15. Mai 1968 und Donnerstag 16. Mai 1968
  • 3. Lesung: Mittwoch. 29. Mai 1968 und Donnerstag, 30. Mai 1968
  • Am 27. Juni 1968 wird das Änderungsgesetz im Bundesgesetzblatt (Seite 709 ff.) veröffentlicht.

Verfassungsrechtliche Vorsorge für den Notstandsfall (1965)

Im Juni 1965 leitet der Rechtsausschuß des Bundestages dem Parlament einen Lösungsvorschlag zu, wie unter Änderung des Grundgesetzes ein verfassungsrechtliche Vorsorge für den Notstandsfall getroffen werden könne (Drucksache Nr.3494, IV. Wahlperiode). Diesem Vorschlag gingen umfassende Diskussionen in der Öffentlichkeit voraus, die schon anläßlich des Aufbaus der Bundeswehr im Frühjahr 1956 begonnen hatten, in verschiedene Regierungsvorlagen mündeten und stets von heftigen Kontroversen begleitet waren. Die ablehnenden Stimmen – vor allem auch aus dem Lager der Gewerkschaften – erinnerten vorwiegend an Artikel 48 der Weimarer Verfassung und meinten, die auch nur vorübergehenden Beschränkungen von Grundrechten bei Regelung eines Ausnahmezustandes anläßlich eines inneren oder äußeren Bedrohung der Demokratie führten zu deren endgültiger Aufhebung.

Verkleinertes Notparlament

Der Rechtsausschuß geht in seiner Vorlage von der zentralen Idee aus, daß Bundestag und Bundesrat auch und gerade im Zustand der Gefahr ihre Verantwortung für das Wohl des Staates wahrnehmen müssen. Deswegen ist die Volksvertretung in die Lage zu setzen, dies zu tun: Ein stark verkleinertes Notparlament aus Vertretern des Bundestages und des Bundesrates, der sogenannte „Gemeinsame Ausschuß“, also nicht die Exekutive, soll im Notstandsfall die erforderlichen Eilentscheidungen treffen. Die vorgesehene Methode der Staatswillensbildung im äußersten Notfall kann nach Ansicht des Ausschusses allerdings nur dann funktionieren, wenn sie in Friedenszeiten in gleicher Weise vorbereitet und geübt wird, wie dies für alle militärischen und zivilen Notstandsplanungen selbstverständlich sind. Zu einer Änderung des Grundgesetzes kommt es aber in der IV. Wahlperiode des Bundestages, die am 17.10.1965 endet, nicht, denn die sozialdemokratische Opposition stimmt zwar der geschilderten Grundkonzeption zu, hat aber Vorbehalte in Einzelfragen.[1] Erst in der V. Wahlperiode, in die am 1.12.1966 mit der Wahl von Kurt Georg Kiesinger (CDU/CSU) zum neuen Bundeskanzler die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD fällt, kommt es am 28.5.1968 zur Änderung des Grundgesetzes.

Die Sicht der Gegner

Aus der Sicht der Rebellierenden ist die Notstandsgesetzgebung die schlimmste Entgleisung, die den noch vorhandenen Resten von freiheitlicher Demokratie den Todesstoß versetzt. Zudem hat der „Notstand der Demokratie“ ohnedies schon vor Inkrafttreten von Notstandsgesetzen am 2. Juni 1967 begonnen. Für die Verfasser eines vom AStA initiierten „Manifests der Hochschulen“[2] ist dies der Tag, an dem beim Besuch des persischen Diktators Teile des Establishments zur Aufrechterhaltung ihrer Herrschaft ein Heer von Polizeikräften aufmarschieren ließ und die Erschießung Benno Ohnesorgs provozierte. Überregional werden die Aktionen gegen die Notstandsgesetze durch das sogenannte Kuratorium „Notstand der Demokratie“ geplant und gesteuert, das vertreten durch dessen Geschäftsführer Helmut Schauer in Kooperation mit dem Frankfurter Bundesvorsitzenden des SDS, KD Wolff, vorwiegend in der Endphase der zwei letzten Lesungen der Notstandsgesetze sich um die Unterstützung des DGB bemüht und durch die Ausrufung von Teach ins, Demonstrationen und Streiks versucht, eine „Kampffront“ aufzubauen.


1. Lesung Notstandsgesetz – Stunde der Bewährung

Am 29. Juni 1967 wird das Notstandsgesetz in 1. Lesung verabschiedet:

Bundesinnenmister Paul Lücke begründet die Notstandsvorlage der Bundesregierung und erklärt, die Notstandsverfassung müsse gewährleisten, daß der Staat auch in der Stunde der Not ein Rechtsstaat bleibe; daß die Abwehr von Gefahren schnell erfolgen könne; daß die staatliche Machtausübung auch im Notstand parlamentarisch und gerichtlich kontrolliert bleibe; daß die Notstandsvollmachten nach Beendigung der Notlage aufgehoben werden. Der Minister weist darauf hin, der Notstand sei weder die Stunde der Exekutive noch die Stunde des Parlaments, er sei vielmehr die Stunde der Bewährung des ganzen Volkes. Er versichert, aus diesem Grunde werde er mißtrauisch, wenn dem Regierungsentwurf vorgeworfen werde, er sei zu ausführlich. Nach der 2. Lesung werde die Bundesregierung die drei Westmächte bitten, sich über die Eignung der dann beschlossenen Regelungen für die Ablösung der alliierten Sicherheitsvorbehalte verbindlich zu äußern.

Der Abgeordnete Wolfram Dorn (FDP) bezeichnet es als besonders gefährlich, daß Rechte des Bundestages bereits zu einem Zeitpunkt auf das Notparlament übergehen sollten, in dem das Parlament noch funktionsfähig sei. Die FDP werde dieser Absicht nie zustimmen. Dorn erklärt, der Notstandsentwurf enthalte eine eindeutige Strömung gegen die Arbeitnehmerschaft. Nicht nur die Regelung des Streikrechts, sondern auch andere Punkte stimmten mit sozialdemokratischen Parteitagsbeschlüssen nicht überein.

Der Abgeordnete Bert Even (CDU/CSU) bezeichnet die Ausführungen des FDP-Sprechers als „demagogische Art der Argumentation“ und „Schwall parteipolitischer Polemik, die darüber hinwegzutäuschen sucht, daß die FDP nur über Bruchstücke einer Konzeption für Staatsorgane zusammenzufassen andererseits die Bürger vor eventuellem Mißbrauch der dazu erforderlichen Gesetze zu schützen.

Er weist darauf hin, daß der Entwurf auf die Verhältnismäßigkeit der anzuwendenden Mittel achte, keine Generalvollmacht enthalte und bestimme, daß Notgesetze vom Parlament außer Kraft gesetzt werden können und spätestens sechs Monate nach dem Ende eines Notstands automatisch erlöschen.

Der Abgeordnete Martin Hirsch (SPD) würdigt die harte Kritik an der Notstandsgesetzgebung. Sie zeige, daß die Bürger wachsam seien und ihre demokratische Freiheit als unverzichtbares Gut ansehen. So wichtig die längst fällige Ergänzung des Grundgesetzes sei, so müsse doch jeder danach trachten, daß die Bestimmungen niemals angewendet werden müssen. Dafür zu sorgen, sei die Aufgabe der Politik, welche die Erhaltung des Friedens zu bewahren und zu erstreben habe. Der Abgeordnete fordert für den Notstand eine ausschließlich deutsche Gesetzgebung mit voller Ablösung aller Alliiertenvorbehaltsrechte.

Pressestimmen 1. Lesung Notstandsgesetz – kein Freibrief für Terror und Diktatur

,,Das Gespräch mit den Gegnern bietet die einzige Möglichkeit die redlichen Absichten zu beweisen, die jene so ungern glaubten.“ – Frankfurter Allgemeine

Heute gibt es nur noch den einen Weg, zu klaren Lösungen zu kommen: die Karten auf den Tisch, damit jeder sieht, daß nichts zu verheimlichen notwendig ist! Und auch darüber klaren Wein, daß es keine gezinkten Karten gibt, auch nicht in irgendwelchen Schubladen! Nur wenn der Staatsbürger das weiß, kann er der weiteren Entwicklung ohne Sorge entgegensehen.“ – Fritz Hirschner, Rhein-Zeitung

,,Die erste Lesung der vielfach noch heiß umstrittenen Notstandsverfassung ging eigentlich recht ruhig über die Bühne. Bei den derzeitigen politischen Machtverhältnissen war dies kaum überraschend, denn die Last der Opposition ruhte hier nur auf den Schultern der kleinen FDP.“ – Badische Zeitung

,,Protest, Demonstrationen, die die geplante Notstandsverfassung schlicht als Freibrief für Terror und Diktatur bezeichnen, sind in dieser Auseinandersetzung allerdings keine Argumente.“ – Wilhelm Stettner, Trierischer Volksfreund

,,Verglichen mit Notstandsgesetzen anderer westlicher Länder ist der Bonner Entwurf liberal.“ – Peter Hertel, Westfälische Nachrichten

Bei den derzeitigen politischen Machtverhältnissen war dies kaum überraschend, denn die Last der Opposition ruhte hier nur auf den Schultern der kleinen FDP.“ – Badische Zeitung

Die Stellungnahme des AStA vom 19. Juni 1967

Anläßlich der 1. Lesung der Notstandsgesetze am 19. Juni 1967 formuliert der AStA seine Kritik folgendermaßen:

Wenn die Regierung sich in der Frage des Notstandes an die Öffentlichkeit wendet, dann nur um manipulativ jenes universale Vertrauen zu fordern, das die Bundesregierung auf Seiten der Bevölkerung für den rechten Bewußtseinsstand hält. Dagegen muß die kritische Studentenschaft ins Bewußtsein rufen, welche Vielzahl konkreter Repressionen die Notstandsgesetze mit sich bringen und welche gesellschaftlichen Folgen die Zentralisierung der Macht hat. – 1. Ausschaltung des Parlaments durch die Hinzuziehung der Mitwisser des quasiparlamentarischen Gemeinsamen Ausschusses in die Exekutive – 2. Willkürpraxis der Exekutive im Notstandsfall, die sich dann auf die Basis der terroristischen, bis dahin geheimen Schubladenverordnungen stützen wird. – 3. Schaffung eines gewaltigen Polizeiapparats und eines halbmilitärischen Luftschutzapparates, der der ganzen Bevölkerung zwangsweise die permanente Bereitschaft zum Krieg verordnet. Die Realität der Unterdrückung hinter der väterlichen ’Vorsorge’ der Notstandsplaner aufzuzeigen, erfordert breite Information.“ – Flugblatt AStA vom 19.06.1967, „Notstandswoche


Das Manifest gegen das Notstandsgesetz

Im Oktober 1967 veröffentlicht der AStA der Frankfurter Universität ein Manifest gegen das Notstandsgesetz. Ihm schließen sich andere Studentenvertretungen an und einige Hochschullehrer unterstützen es mit ihren Unterschriften:

671001_asta_manifest-notstand

Sternfahrt nach Bonn

Notstandsgesetz Sternmarsch
Notstandsgesetz Sternmarsch
Notstandsgesetz Sternmarsch

2. Lesung Notstandsgesetz – Meinungsfreiheit, Pressefreiheit bleiben gewahrt

Die 2. Lesung findet am Mittwoch, den 15. Mai 1968 und am Donnerstag, den 16. Mai 1968 statt. – Zu Beginn erklärt der Berichterstatter der CDU/CSU, der Abgeordnete Aloys Lenz, es sei nicht wahr, daß dieser Entwurf den Weg zur Diktatur bereite. Der vorliegende Entwurf halte unter parlamentarischen und rechtsstaatlichen Gesichtspunkten jeden Vergleich mit jeder Vorsorgeregelung für den Notfall aus, die es auf der Welt gebe. Es sei ebenfalls nicht wahr, daß durch diesen Entwurf den gewerkschaftlichen Rechten der Boden entzogen werde. Im Gegenteil, der Entwurf verankere das bestehende Arbeitskampfrecht ausdrücklich in der Verfassung. Schließlich widerspricht Lenz der Annahme, daß durch diesen Entwurf die staatsbürgerlichen Freiheiten beseitigt würden.

Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Vereins- und Versammlungsfreiheit würden durch den Entwurf nicht berührt. Auch soweit die Freizügigkeit, die Freiheit der Berufswahl und das Recht auf Eigentum einschränkbar gemacht werde, blieben diese Grundrechte dem einseitigen Zugriff der Bundesregierung entzogen. Das Gesetz würde weder den Bürgerkrieg vorbereiten, weder eine Waffe im kalten Krieg sein, noch als Freibrief für Abenteuer oder einseitige Aktionen gelten. Es seivielmehr notwendig, um die Alliiertenvorbehaltsrechte zum Erlöschen zu bringen, aufgrund derer die drei Mächte noch heute die oberste Staatsgewalt in der Bundesrepublik übernehmen können. Lenz warnt, wenn die Vorlage abgelehnt werde, könnten sich die Alliierten im Notstand möglicherweise auf ihre Rechte berufen und könnten Kanzler und Regierung sich auf ihren Amtseid berufen.

Der Abgeordnete Hans Matthöfer (SPD) wendet sich gegen die Formulierung, daß aufgrund der Notstandsbestimmungen getroffene Maßnahmen sich nicht gegen Arbeitskämpfe zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen richten dürfen. Der Begriff Arbeitskämpfe schließe nicht nur den Streik, sondern auch die Aussperrung ein. Wenn die SPD die Mehrheit im Bundestag hätte, äußert der Abgeordnete, würde diese Formulierung anders sein.

Der Abgeordnete Martin Hirsch (SPD) erklärt darauf im Namen der Mehrheit seiner Fraktion, Matthöfer habe am Thema vorbeigeredet. Entscheidend sei, daß jetzt das Streikrecht sogar bis in den Krieg hinein sichergestellt sei. Das gebe es in keinem anderen Land der Welt.(11 SPD-Abgeordnete stimmten bei der Abstimmung über diesen Punkt mit Nein.)

Zum Brief- und Telefongeheimnis bemerkt der Abgeordnete Hermann Busse (FDP), damit werde die Bestimmung des Artikels 19 des Grundgesetzes eingeschränkt, daß jedem Bürger der Rechtsweg offenstehe, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt werde. Die FDP erkenne durchaus als verfassungsgerecht an, daß überwacht werde und diese Überwachung dem Betroffenen auch erst dann mitgeteilt werden müsse, wenn der Untersuchungszweck nicht mehr gefährdet werde. Es dürfe aber keine Überwachung ohne richterliche Anordnung geben und der Rechtsweg müsse gewahrt bleiben.

Gegen eine Dienstverpflichtung der Frauen im Verteidigungsfall zu Sanitäts- und Heildiensten wendet sich die FDP-Abgeordnete Liselotte Funcke. Sie bemerkt dazu: ,,Sie können sich nur Zwang vorstellen, wir Liberale heben die Freiwilligkeit hervor.“ Durch die Verpflichtung von Frauen im Dienste der Streitkräfte würde die Tür zu unübersehbaren Entwicklungen geöffnet.

Der Abgeordnete Martin Hirsch (SPD) unterstreicht, daß nach der vorgesehenen Gesetzesbestimmung Verpflichtungen erst erfolgen können, wenn freiwillige Meldungen nicht ausreichen. Er stellt die Frage, ob, wenn dieser Fall eintrete, Kranke und Verwundete ohne Pflege bleiben sollten. Er finde es nicht diskriminierend für eine Frau, Kranke pflegen zu müssen.

2. Lesung Notstandsgesetz – Fortsetzung

Am 16. Mai 1968 setzt der Bundestag die 2. Lesung fort: Zum Abschluß der Beratung der Notstandsgesetze lobt Dr.Rainer Barzel die·Große Koalition; sie habe sich fähig gezeigt, große Fragen der Demokratie zu lösen. Mit vielen Kornpromissen sei eine Gesetzgebung zustande gekommen, die doch ihre Zwecke erfülle. Barzel fährt fort: ,,Nach der 3. Lesung·werden wir Deutsche Herr im eigenen Haus werden und in einer Stunde der Not alles entscheiden, was sein soll.“

Der Abgeordnete Martin Hirsch (SPD) betont, nun sei die sozialdemokratische Konstruktion einer Notstandsverfassung unverletzt zu Beschlüssen des Parlaments geworden. Minister Schröder habe den Notstand noch als Stunde der Exekutive bezeichnet, während er jetzt die Stunde der Demokratie geworden sei. Der Abgeordnete bezeichnet die Notstandsverfassung als ein autonomes Werk des Parlaments. Sie sei ein Schutz der Schwachen, der Freiheit, des Rechts und der Demokratie.

Der Abgeordnete Wolfram Dorn (FDP) erläutert, die FDP sei zum Jahre 1966 für den früheren Entwurf einer Notstandsverfassung gewesen. Nachdem sie aber Näheres erfahren habe, sei sie skeptisch geworden; zumal nach der FALLEX-übung habesie eine Menge vonBedenken bekommen und sich überlegt, ob sie ihre Haltung beibehalten könne. Deshalb habe sie einen Gesetzentwurf vorgelegt, diesen auch allein auf den Verteidigungsteil beschränkt. Man müsse auch den Freien Demokraten – wie anderen Fraktionen – neue Überlegungen zugestehen. Dorn erklärt abschließend: ,,Wir können unsere Zustimmung zu der heute beschlossenen Vorlage nicht geben.“ Die FDP habe verfassungspolitische und verfassungsrechtliche Bedenken.

Pressestimmen zur 2. Lesung

„Die angesetzten zwei Debattentage reichen – das zumindest dürfte nach dem ersten Tag feststehen – unmöglich aus, die vielen strittigen Fragen auszudiskutieren und die madigen Stellen zu beseitigen.“ – Rainer Klose, Münchner Merkur

„Leicht machen sich die Abgeordneten des Bundestages die 2. Lesung der sogenannten Notstandsverfassung nicht. Sie alle, gleich welcher Fraktion, haben verstanden und versuchen deutlich zu machen, daß es hierbei um Entscheidungen von wirklich größter Wichtigkeit und Tragweite geht. Das kann man nach dem ersten Tag der Beratungen getrost zugestehen.“ – Hannoversche Presse

Vielleicht ist es ein Verdienst der außerparlamentarischen Opposition, wenn den Koalitionsparteien, vor allem der SPD, in letzter Minute doch noch Bedenken kamen.“ – R. Kilgus, Neue Osnabrücker Zeitung

„In ihrem Eifer, die Notstandsgesetzgebung schnell über die Bühne zu bringen, haben die Regierungsparteien auch ihre guten Vorsätze vergessen, die kleine FDP-Opposition immer dann zu unterstützen, wenn ihre Wirksamkeit durch die Geschäftsordnung eingeschränkt wird. Niemand fand sich bereit, den Freien Demokraten zu helfen, als ihr Antrag auf namentliche Abstimmung an nur wenigen Stimmen scheiterte. Ein solches Verlangen war nicht unberechtigt, schließlich ging es um eine Entscheidung von weittragender Bedeutung, um eine historische Abstimmung.“ – Frankfurter Rundschau

Daß die Mehrheit der Abgeordneten nicht Farbe bekennen wollte, liefert den Gegnern der Notstandsgesetzgebung willkommene Munition. Bei namentlicher Abstimmung, so werden sie sagen, wären die Gesetze nicht zustande gekommen. Das trifft nicht zu, ist aber auch nicht zu widerlegen.“ – Norbert Iserlohe, Kölnische Rundschau

Streikaufruf

Am 16. Mai 1968 rufen in Frankfurt anlässlich der 2. Lesung „Studenten“ zu einer Streikversammlung auf:

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Ein Flugblatt des SDS

Am 17. Mai 1969 ruft KD Wolff anlässlich der 2. Lesung für den SDS zum Generalstreik auf.

3. Lesung Notstandsgesetz

Der Bundestag stimmt am am Mittwoch, den 29. Mai 1968 und am Donnerstag, den 30. Mai 1968 in 3. Lesung nach einer ganztägigen Debatte den Gesetzentwürfen über den Notstand zu. Bei den verfassungsändernden Gesetzen stimmen 384 und 20 Berliner Abgeordnete mit Ja, 100 Abgeordnete und 1 Berliner mit Nein; 1 Abgeordneter und 1 Berliner Abgeordneter enthalten sich der Stimme.

Bei 496 stimmberechtigten Mitgliedern des Hauses beträgt die für eine Verfassungsänderung notwendige Zweidrittel-Mehrheit 331; sie wird bei der Abstimmung um 53 Stimmen überschritten.

Von den 100 Nein-Stimmen werden 54 von der SPD, 45 von der FDP und 1 von der CDU [Schulze-Vorberg] abgegeben. Ein Abgeordneter der FDP [Miessner] stimmt mit Ja.)

680530-Bundestag-Verabschiedung-17.Aenderungsgesetz

Das Notstandsgesetz tritt in Kraft

Nach Bestätigung der Grundgesetzänderung durch den Bundesrat wird das siebzehnte Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes am 27. Juni 1968 im Bundesgesetzblatt (S. 709 ff.) verkündet.

Der Staatsrechtler Ulrich K. Preuß im Gespräch über die Notstandsgesetzgebung von 1968

»Die Notstandsgesetze waren im Ergebnis relativ harmlos«. – Dass die 1968 in der BRD beschlossenen Notstandsgesetze nicht zu der von Linken befürchteten politischen Eskalation geführt haben, lag auch an einem solidarischen Widerstand gegen das Gesetzespaket, sagt der Staatsrechtslehrer und Achtundsechziger im Interview mit Carl Melchers.

Siehe zur Notstandsgesetzgebung: Im Rückblick Preuß mit seiner Einschätzung zur Relevanz der damaligen Verabschiedung der Notstandsgesetz ein kurzes Video.