AStA

Die Studentenschaft als Gliedkörperschaft des öffentlichen Rechts der Universität wird durch den Allgemeinen Studentenausschuss (AStA) vertreten.

Die Krise des AStA (16. Oktober 1967)

In der Parlamentssitzung vom 16.10.67 kündigten die stellvertretenden AStA – Vorsitzenden Hermann Lange (Finanzen) und Michael H. Wolf (Inneres) ihren Rücktritt an. Wir druckten die Rücktrittserklärungen im Wortlaut und eine Stellungnahme des AStA – Vorsitzenden Hans – Jürgen Birkholz.: –        
‘Hiermit erkläre ich meinen Rücktritt vom Amt des stellvertretenden Vorsitzenden des AStA der JWGU. – Es hat sich gezeigt, daß eine sinnvolle politische Arbeit in der Studentenschaft unter den derzeitigen Voraussetzungen unmöglich ist. Seit mehreren Parlamentssitzungen wird das Interesse der Parlamentarier, sich wirklich an der Arbeit in der Studentenschaft zu beteiligen, immer geringer, Ausschüsse werden nicht besetzt oder ihre Mitglieder müssen zwangsweise rekrutiert werden, über grundsätzliche Fragen wird im SP nicht mehr diskutiert. – Auf der 1. o. Parlamentssitzung des WS 67/68 zeigte sich dieser Fall ganz eklatant. Während man den AStA permanent zur Tätigkeit auffordert und seine Leistungen quantitativ wie qualitativ heftig kritisiert werden, ist man im Parlament nicht bereit, auch nur die wichtigsten anstehenden Fragen zu behandeln. In dieser Situation gäbe es die Möglichkeit, den AStA so umzustrukturieren, daß eine politische Vertretung auch ohne die sehr fragwürdig gewordene Mitarbeit des Parlaments durchgeführt würde. Diesen Weg halte ich aus Gründen der notwendigen Kontrolle des AStA durch das SP und aus demokratischen Prinzipien nicht für gangbar, außerdem ist der AStA auch finanziell und organisatorisch dazu nicht in der Lage. – In dieser Situation sehe ich nur die Möglichkeit, meine Mitarbeit im AStA einzustellen. Ffm. , 17. 10. 67 01. 30h – Michael H. Wolf. ‘       
‘Hiermit erkläre ich meinen Rücktritt als Stellv. Vorsitzender und Finanzreferent des Allgemeinen Studentenausschusses. – Die gestrige Parlamentssitzung hat m. E. die schizophrene Situation des Parlaments verdeutlicht. Einesteils werden dem AStA – Vorstand laufend Vorhaltungen wegen kleiner Mängel seiner Amtsführung gemacht, andererseits kann sich das Parlament selbst nicht zu vernünftiger Arbeit bequemen. Wenn es darum geht, weniger spekulative gemeinsame Aufgaben von Parlament und AStA zu lösen, dokumentiert das Parlament in eindrucksvoller Weise seine Interesselosigkeit. – Ich habe, und darüber sollte spätestens jetzt Klarheit bestehen, meine Mitarbeit im AStA als Zusammenarbeit mit dem Parlament verstanden, mit dem Ziel, die Studentenschaft an politischen Fragen im Allgemeinen und an hochschulpolitischen Fragen im Besonderen zu interessieren. Das scheint mir unter den gegenwärtigen Vorzeichen nicht mehr gewährleistet. – 6 Frankfurt/Main, den 17. Okt. 1967         
Hermann Lange.“

asta information Oktober 1967

Birkholz als AStA-Vorsitzender reagiert

„Ich bedaure den Rücktritt meiner beiden Stellvertreter, Herrn Wolf und Herrn Lange. Auch ich empfand die Parlamentssitzung am 16. Oktober als sehr unerfreulich und unbefriedigend. – Das Studentenparlament hat im letzten Sommersemester bewiesen, daß es bereit ist zu arbeiten. Mehrere große Debatten (z. B. Debatte über die politische Verantwortung) haben bewiesen, daß die Parlamentarier in der Lage sind, auf einem hohen politischen Niveau zu argumentieren. Auch über das Engagement der Parlamentarier in den Ausschüssen des Studentenparlaments, und bei den verschiedenen Aktionen der Studentenschaft kann man sich nicht beklagen. Ich empfand den Rücktritt meiner beiden Stellvertreter als voreilig und unüberlegt, weil eine einzige schlechte Parlamentssitzung kein Grund für einen Rücktritt sein darf. – Ich werde unter Mithilfe der Referenten bis zur Wahl, die in der Zeit vom 13. bis 16. November stattfinden wird, alles versuchen, um das soziale und politische Programm des AStA weiter durchzuführen. – Sie, liebe Kommilitonen möchte ich bitten: Wählen Sie Parlamentarier, die zur Mitarbeit und zum Engagement bereit sind. – Hans – Jürgen Birkholz.“

asta information Oktober 1967

Manifest der Hochschulen gegen die Notstandsgesetze

„In der gemeinsamen Sitzung von Vertretern der Allgemeinen Studentenausschüsse und der politischen Studentenverbände (HSU, LSD, SHB, SDS) am 6. Oktober 1967 in Offenbach/M. wurden die Möglichkeiten und Aufgaben der Opposition von Wissenschaftlern und Studenten gegen die Notstandsgesetze diskutiert. Ein Manifest der Hochschulen gegen die Notstandsgesetze soll als Beitrag der westdeutschen Intelligenz die Politiker in allen Parteien auf ihren entschiedenen Widerstand aufmerksam machen und sie zu einem Überdenken ihrer bisherigen Haltung in der Notstandsfrage bewegen. Das Manifest, von Professoren, Assistenten und Studenten unterzeichnet, soll den Bundestagsabgeordneten unmißverständlich erklären, daß man ihnen bei der nächsten Bundestagswahl nicht das Vertrauen ausspricht, wenn sie der geplanten Verfassungsänderung zustimmen. – Die ‘Aktion Hochschulmanifest’ entwickelt sich in zwei Phasen: – 1. Zunächst werden die Hochschullehrer, die als Notstandsgegner bekanntgeworden sind, ebenso die AStA – Vorsitzenden und die Vertreter politischer Hochschulgruppen gebeten, das Ihnen zugesandte Manifest qua Person zu unterschreiben. Zentrale Sammelstelle der Unterschriften ist der AStA Frankfurt (Politisches Referat). – 2. Das Manifest wird, mit deren Unterschriften versehen, zentral gedruckt und anschließend an alle Hochschulorte versandt, um nun, in einer zweiten Phase, allen Hochschullehrern und Studenten zur Unterzeichnung vorgelegt zu werden. – Daß Aktionen gegen die geplante Grundgesetzänderung nicht verpuffte Mühe sind, zeigten die Reaktionen in der SPD – Fraktion, sowie im Rechts – und Innenausschuß des Bundestages. Auch der neue FDP – Entwurf ist ein Beweis dafür. Der Abgeordnete Hirsch (SPD) erklärte in der Bundestagsdebatte am 29. Juni 1967, man wolle die Gegner der Notstandsgesetze in den Gewerkschaften und an den Hochschulen hören. Rechts – und Innenausschuß haben beschlossen, in öffentlichen Hearings mit Gegnern und Befürwortern der Notstandsgesetze zu diskutieren. Da diese in die Zeit der letzten Oktoberwoche bis Ende November fallen, würde ein ‘Hochschulmanifest’ keineswegs seine Wirkung verfehlen. – Klaus Kreppel Politischer Referent.“

asta information Oktober 1967

Offener Brief des AStA vom 18.10.1967

Magnifizenz, meine Herren! Nach den bisherigen Beschlüssen und Diskussionen im Senat hat sich in der Studentenschaft der Eindruck bestätigt, daß die Mehrheit der Professoren nicht bereit ist, den Studenten ein effektives Vertretungsrecht in den akademischen Beschlußgremien zuzugestehen. Wieder einmal ist in der Reform der Hochschule eine wichtige Gelegenheit versäumt worden, wieder einmal wurden die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Durch die Aufrechterhaltung überkommener, autoritärer Herrschaftsstrukturen glaubt die Mehrheit der Professoren Positionen absichern zu müssen, die längst durch die Entwicklung überholt und als der demokratischen Entfaltung von Forschung und Lehre hinderlich erkannt worden sind. Immer noch herrscht die Ansicht vor, daß die Professoren die Gesamtinteressen der Universität patriarchalisch allein am besten vertreten könnten. Nur eine Gruppe von ihnen befürwortet überhaupt eine symbolische Mitentscheidung, die allerwenigsten aber sind bereit, den Studenten echtes Mitbestimmungsrecht einzuräumen. Die Verabschiedung des hessischen Hochschulgesetzes hat in der Studentenschaft zahlreiche Hoffnungen geweckt. Viele von uns waren der Ansicht, daß der Wunsch des Gesetzgebers nach stärkerer Beteiligung der Studenten zu durchgreifenden Reformen führen und Unterstützung einer großen Zahl fortschrittlicher und liberaler Professoren finden würde. Nachdem in Berlin das Modell einer Universität, in der Studenten nicht nur akademische Konsumenten sein sollten, am Widerstand der ‘Bettermänner’ gescheitert war, waren die Berliner Studenten gezwungen, ihre Rechte außerhalb der universitären Institutionen geltend zu machen. Die Berliner Entwicklung hätte sich in einer demokratisch organisierten Universität nicht abgespielt. Eine fortschrittliche Universität kann für uns nur heißen: eine enthierarchisierte, kooperative Universität. In ihren Beschlußgremien hätte diese gleichermaßen alle Gruppen aufzunehmen, die an der Gestaltung des Lehr – und Forschungsbetriebes beteiligt sind. Diese Gruppen sind: 1) Ordinarien, 2) akademischer Mittelbau 3) Studenten. Die Gleichberechtigung dieser drei Gruppen ergibt sich aus ihrer Bedeutung für den Arbeitsprozess in der Universität. Forschung und Lehre sind Aufgaben der akademischen Korporation. Sie bilden in der Konzeption der deutschen Universität eine untrennbare Einheit. Diese aber kann sich nur darin beweisen, daß beide, Forschung und Lehre, Ergebnis eines ständigen Diskussionsprozesses zwischen allen an ihnen beteiligten Gruppen sind. +++Die Gestaltung einer freien Forschung kann ebenso wie die Gestaltung eines Lehrbetriebes, der den Interessen der unmittelbar Betroffenen gerecht wird, nur dann stattfinden, wenn sachfremde Herrschaftsverhältnisse, wenn dysfunktionale Autoritätsstrukturen aus dem Zusammenhang der Universität ausgeschieden werden. Die Vorstellung, daß eine kleine Gruppe von Lehrstuhlinhabern aus eigener Gewalt die Universität dominieren sollte, und dies auch noch im Interesse aller, erweist sich an der Forderung einer demokratischen Diskussion als Herrschaftsideologie. Wir glauben nicht, daß zwischen Professoren und Studenten, zwischen Lehrenden und Lernenden unauflösliche Widersprüche bestehen. Deshalb sind wir der Ansicht, daß Differenzen, die notwendig wie in jedem gesellschaftlichen Funktionszusammenhang auftreten müssen, durch offene Diskussionen gelöst werden können. Die Studenten sind unmittelbar interessiert, wenn es um die Organisation des Lehrbetriebes geht. Es ist nicht einzusehen, warum ihnen die gleichberechtigte Mitsprache weiterhin verwehrt werden soll. Es ist bestürzend, daß die Studenten heute, wenn sie realistisch sein wollen, darüber sich klarzuwerden haben, daß dieses demokratische Modell der Universität vorerst nicht verwirklicht werden kann. Dies spricht nicht gegen die Forderung der Studenten, sondern es spricht gegen die Universität, gegen die sie heute noch gestaltenden restaurativen Gruppen und gegen die Gesellschaft in der Bundesrepublik heute. Weil wir aber davon überzeugt sind, daß auf lange Sicht die überkommenen Strukturen der Universität zugunsten demokratischer Verhältnisse sich auflösen werden, weil wir auf Einsicht bei der Mehrzahl der Ordinarien hoffen – nur deshalb sind wir bereit, hier und heute Lösungen zu akzeptieren, die unsere Forderungen nach einer demokratischen Universität nicht optimal erfüllen. Unabdingbar aber bleiben folgende Forderungen: – 1) effektive Vertretung in den Fakultäten, wo über die Studienbedingungen entschieden wird, und wo heute vielfach versäumt wird, einen den Erfordernissen der Zeit gemäßen Lehrbetrieb zu organisieren. – 2) effektive Vertretung im Senat als dem wichtigsten Beschlußorgan der Universität. – 3) effektive Vertretung im Konzil, insbesondere hinsichtlich von Änderungen der Universitätssatzungen und hinsichtlich der Wahl des Rektors, der vom Vertrauen aller an der Universität beteiligten Gruppen getragen werden muß. – 4) effektive Vertretung im Satzungsgebenden Konzil der Johann Wolfgang Goethe Universität. Die Satzung, die hier in Kürze verabschiedet wird, wird auf Jahre hinaus die Rechte und Pflichten auch und gerade der Studenten festlegen. Wir erklären hier nachdrücklich: Eine Satzung an deren Entstehen und an deren Verabschiedung wir, die Studenten, nicht angemessen beteiligt werden, kann uns für die Zukunft nicht binden. – Wir sind nicht mit Beschlüssen einverstanden, die uns zwei oder vier Vertreter in Fakultäten oder Senat zubilligen wollen. Abgesehen davon, daß diese wenigen Studenten nicht in der Lage sein werden, sinnvoll in den Ausschüssen mitzuarbeiten, betrachten wir diese Art von Beteiligung als demokratische Verziehung. Wir wollen nicht in der Rolle studentischer Bittsteller oder Sachverständiger für studentische Fragen bei den Sitzungen der Beschlußgremien als Zuhörer zugelassen werden. Wir wollen mitentscheiden.“

Offener Brief des AStA vom 18.10.1967 – Archiv Riehn