22.06.1969: Menschenjagd

Im Verlauf der Aktionen gegen die angebliche Kriegsforschung, die in Wirklichkeit niemals stattgefunden hat, kommt es am 2. Juni 1969 zu einem prekären Zwischenfall.

Unter Führung von KD Wolff verfolgen einige SDS-Mitglieder zwei Mitarbeiter des Rektorats in einer Art Menschenjagd.

Die Vorgeschichte der Menschenjagd

Die Universitätsleitung befürchtet im Zusammenhang mit einem Teach-In und der Demonstration vor dem Battelle – Institut wegen angeblicher Kriesforschung neue gewalttätige Aktionen. Deswegen ist es wichtig, vorbereitet zu sein. Um möglichst schnell reagieren zu können, beobachten Universitätsrat Riehn und dessen Mitarbeiter Assessor Roth aus gebührender Entfernung die Entwicklung der Ereignisse am Opel Kreisel, wo sich das Institut befindet. Die Polizei löst gegen 19.15 Uhr die Demonstration vor dem Battelle-Institut auf. Daraufhin sammeln sich die Demonstranten in kleineren Gruppen in der Nähe. Dort wird über Megaphone die Parole ausgegeben „Zurück ins Rektroat“.

Menschenjagd Deutsches Battelle-Institut e.V., Frankfurt am Main
Battelle-Institut e.V., Frankfurt am Main, Am Römerhof 53

Die Einkreisung der beiden Opfer

Diese Ankündigung bestätigt die Befürchtung der beiden Beobachter, dass die Hochschule erneut angeriffen werden wird. Also wollen sie schleunigst schleunigst zur Universität zurückkehren, um dort vorzuwarnen. In dieser Situation nähert sich ihnen eine Gruppe von 60 bis 80 Demonstranten. Rufe ertönen: „Los hinter ihnen her!“. Sie stürmen auf sie zu und gruppieren sich halbkreisförmig um die beiden Opfer. Einige der Verfolger haken sich bei Riehn und Roth ein.

Zurufe ertönen: „Wie könnt ihr euch bei diesen Schweinen auch noch einhaken?“ – „Laßt sie doch alleine laufen!“ Daraufhin lösen sich die Bedränger und folgen in einem Abstand von etwa 2 bis 4 Metern. Plötzlich fliegen Erdklumpen und Grasbüschel, die Riehn und Roth mehrfach treffen. Steine wirbeln in bedrohlicher Nähe über deren Köpfe hinweg. Roth berichtet, es habe sich um gezielte Würfe gehandelt. KD Wolff, der sich ebenfalls in der Verfolgergruppe aufhält, verteidigt die Aktionen. Er schmäht die beiden Opfer als „Büttel der Universitätsadministration“.

Die Flucht des Universitätsrats

Als Riehn spürt, daß sich die Situation bedrohlich zuspitzt, rennt er unversehens zur nicht weit entfernten, in die Innenstadt führenden, Heußallee. Dort gelingt es ihm, den Fahrer eines Lieferwagen anzuhalten, der ihn „rettet“. Der Verfolgergruppe gelingt es nicht, ihn daran zu hindern. Aus der Gruppe kommen Zurufe, wie: „Laßt ihn nicht wegfahren!“ – „Stoppt den Wagen!“ oder „Schmeißt ihn um!“

Roth bleibt weiter Opfer der Menschenjagd

Roth bleibt weiter seinen Peinigern ausgeliefert und wird mit übelsten Ausdrücken beschimpft: „Arschloch, Schwein, Scheißkerl,…“ Schließlich haken sich einige Begleiter bei ihm unter. Sie schmieren mit Farbe auf seine Jacke ein Hakenkreuz. Von hinten schlägt man mehrmals mit Grasbüscheln auf den Kopf Roths. KD Wolff läuft streckenweise nebenher. In keiner Hinsicht versucht er, die Verfolger zu besänftigen. Sie beleidigen und verhöhnen den Gepeinigten. Im Gegenteil: Er hetzt lautstark, welche „verdammenswerte“ Rolle Roth im Verlauf der Disziplinarverfahren gegen Studenten einnehme. Seine Tätigkeit habe schlimme Folgen für die Studenten. Immer wieder ertönen Rufe, wie.: „Schlagt das Schwein doch zusammen!“ u.ä. Schließlich schlägt man vor, man solle ihn in den Straßengraben zerren, um dort „den Schwanz herauszuholen oder ihn zu entkleiden und dann nackt nach Hause laufen lassen“.

Die Menschenjagd endet mit gewalttätiger Aktion in der Universität

In dieser scheinbar ausweglosen Situation, besonders weil weder Hilfe von irgendwelchen Passanten noch eine Flucht möglich ist, reagiert Roth – wie er später berichtet – auf all diese Provokationen völlig passiv, bis die Verfolger schließlich in der Nähe der Universität von ihm lassen.[1] Später erstattet er gegen KD Wolff und Unbekannt Strafanzeige wegen Beleidigung, Körperverletzung und Nötigung.[2]

Kurz nachdem Roth – und mittlerweile auch Riehn – das Rektorat erreichen, trifft dort auch die Demonstrantengruppe ein. Hier findet deren Aktion einen gewalttätigen Abschluß. Die Verfolger schleudern einen Stein und eine Bierflasche gegen die Glaseingangstüren des Rektorats, die zersplittern. Erst als die in aller Eile herbeigerufene Polizei erscheint und die Vorhalle des Universitätshauptgebäudes räumt, endet der Spuk.[3]

Fundstellen

[1] Strafanzeige Roth vom 10. Juli 1969 gegen K.D. Wolff und Unbe­kannt: We­gen Freiheitsberaubung, Körperverletzung, Beleidigung und Nötigung am 2. Juni1969
[2]  Strafanzeige Roth vom 10. Juli 1969 gegen K.D. Wolff und Unbe­kannt: We­gen Freiheitsberaubung, Körperverletzung, Beleidigung und Nötigung am 2. Juni1969
[3] Frankfurter Rundschau vom 3. Juni 1969: „Polizei räumte das Universitätsgelände.“