Springer

Der SDS und seine Mitläufer waren sicher: Springer – nämlich der Springerkonzern – manipuliert die Öffentlichkeit. Seine Bildzeitung hetzt gegen die Akteure der Bewegung, verbreitet Hassparolen und verteufelt „Linksradikale“. Sein Pressemonopol muss durchbrochen werden.

Dies löst die Anti Springer Kampagne aus. „Enteignet Springer!“ ist im Verlauf der Aktionen eine allgegenwärtige Parole. Die 22. Delegiertenkonferenz des SDS verabschiedet dann im September 1967 seine Resolution, die zum »Kampf … gegen die Manipulation und für die Demokratisierung der Öffentlichkeit« aufruft.

Die Resolution des SDS vom 14. April 1968

Grundsatzerklärung des SDS zur Kampagne für die Enteignung des Springer-Konzerns

Der Mordanschlag auf Rudi Dutschke ist ebensowenig bloß die Tat eines Einzelnen wie die Erschießung Benno Ohnesorgs. Beide sind Opfer einer systematisd1en Hetzkampagne des Springer-Konzerns im Verein mit der Staatsgewalt. In Westberlin und Westdeutschland wurde konsequente Opposition zum kriminellen Delikt und selbstbewußte Minoritäten wurden für vogelfrei erklärt. ,,Ihr müßt diese Typen sehen. Ihr müßt ihnen genau ins Gesicht sehen.“ Klaus Schütz, Regierender Bürgermeister von Berlin – ,,Berliner Witz des Tages: ,Laßt Bauarbeiter ruhig schaffen, kein Geld für langbehaarte Affen'“ Bild-Zeitung, 22. 2. 68: Die Methoden des Antisemitismus werden gegen neue Minderheiten angewandt; und mit gigantischem Betrug macht man aus den Opfern die neuen Faschisten. In dieser Situation hat sich unser Angriff auf den Springer-Konzern konzentriert. Durch seine Macht sind große Teile der deutschen Presse zu bloßen Staatsorganen geworden und umgekehrt die Herrsdhaftsfunktionäre des Staates, der Parlamente und Parteien zu Hörigen Springers. Die demokratische Öffentlichkeit ist zerstört. Pressefreiheit wie Informations- und Meinungsfreiheit ist heute das Exklusivrecht weniger privater Großverleger, ihre Meinung zu verkaufen. Die Organisation der Presse als privates Profitunternehmen und ihre überwiegende Finanzierung durch die Industrie- und Verbrauchswerbung stellen die Kommunikationsmittel in den Dienst der Manipulation. Die Unterwerfung der Journalisten unter die publizistisd1en Direktiven der Verleger und autoritärer Verwaltungskörpersd1aften bei unzureichender arbeitsrechtlicher Sicherung mindert ihre Kritikfähigkeit und führt zu einer ständigen Selbstzensur. Das Publikum wird mit grober wie auch mit unmerklicher Manipulation unmündig gehalten und mit den Raffinessen des Anpassungsjournalismus blind an Vorurteile und Klischees gebunden. Jede Kritik wird abgetötet oder als Sorgen des kleinen Mannes ihm selber als Konsum zubereitet; Intelligenzblätter stabilisieren elitäre Einstellungen mit primitiver Herrschaftsideologie. Die Schichten der Gesellschaft werden spezifisch und systematisch in ihrem falschen Bewußtsein gehalten. Die politische Publizistik veröffentlicht die Ereignisse, ohne selbst noch Öffentlichkeit ernsthaft herzustellen. Politische Sachverhalte werden personalisiert und auf ihre äußeren Vorgänge reduziert – drastisch sichtbar beim Mordanschlag auf Dutschke. Unter dem Schein der Objektivität werden Nachrichten beliebig gemacht, unterdrückt, vereinzelt und verzerrt. Der Springer-Konzern ist nicht allein das Symbol, sondern ebenso der Motor der Zerstörung von Öffentlichkeit. Sein übermächtiges Monopol ist entstanden und kann sich nur halten durch skrupellosen und radikalen Anpassungsjournalismus. Die Verdrängung der deutschen Niederlage und des Faschismus muß notwendig Schuldgefühle und Angst unterdrücken und manipulieren. Die Diskussion und Lösung wirklicher Probleme wird durch Wahnideen ersetzt. Ein mystischer Begriff von Volk verklärt die gesellschaftliche Wirklichkeit und entzieht sie der Kritik. Vergleichbar der faschistischen Volksgemeinschaft werden Konflikte gewaltsam verschleiert. Gegen diejenigen aber, die offen die Herrschaftsverhältnisse angreifen, um demokratische Zustände vorzubereiten, muß diese Maschine blind und unerbittlich Gewalt produzieren, eine Gewalt, die die herrschende Macht verteidigt und deren Ziel das Recht der Mächtigen ist. Wer die herrschende Ordnung gegen unsere Kampagnen verteidigen will, muß nach den wirklichen Gewaltverhältnissen in dieser Ordnung fragen. Die tabuierten politischen Mittel haben offensichtlich nicht ausgereicht, um Springers Macht zu verhindern oder gar nachträglich einzuschränken. Im Gegenteil haben sie selber diese unterstützt und sind mit ihr eng verbündet. Es ist höhnische Heuchelei, wenn wir jetzt zur Rückkehr zu den etablierten Institutionen und Regeln aufgefordert werden. Wir erklären, daß es keine Ruhe geben wird, bis geeignete Maßnahmen zur Enteignung des Springer-Konzerns eingeleitet sind. Sie ist Vorbedingung einer demokratischen Öffentlichkeit. Diese demokratische Öffentlichkeit wäre nach folgenden Grundsätzen zu erkämpfen:
1. Befreiung der Presse vom Meinungsmonopol und vom Profitinteresse durch ihre Entflechtung und Oberführung in öffentliches Eigentum und demokratische Kontrolle.
2. Abschaffung der Konsumpropaganda und ihr Ersatz durch sachgerechte Verbraucherinformation.
3. Unabhängigkeit der Presse, des Rundfunks und Fernsehens von der öffentlichen Gewalt und die Garantie ihrer Kritikfähigkeit gegenüber deren Instanzen.
4. Sicherung der Journalisten gegen wirtschaftliche und politische Pressionen. Demokratische Selbstbestimmung der Redaktionen. 5. Materielle und juristische Verankerung des Rechts für jede politisch, sozial oder kulturell relevante und demokratische Gruppe, in der ihr angemessenen Weise, unabhängig von wirtschaftlicher Beschränkung, ihre Forderungen zu artikulieren und ihre Auffassungen zu publizieren.
14. 4. 1968 SDS-Bundesvorstand

Einige Zitate aus dem AStA-Info

asta Information Oktober 1967 – Nr. 15, Seite 3 – Enteignet Springer, Meinungsmonopol des Springer-Konzerns, gegen Pressekonzentration, Springer -Tribunal

,,Enteignet Springer“ Am 6. Oktober trafen sich in Offenbach Vertreter der Studentenverbände HSU, LSD, SHB und SOS, ebenso der ASten verschiedener westdeutscher und Westberliner Hochschulen, um über Möglichkeiten studentischer Aktionen gegen das Meinungsmonopol des Springer-Konzerns zu beraten. In dem Schlagwort “ Enteignet Springer“ enthüllt sich zwar der utopische Kern der gesamten Kampagne – a) die Große Koalition wird kaum bereit sein, ihr Sprachrohr zu entmachten, b) und wenn sie es täte,‘ wäre ein Manipulationsübel durch das andere vertauscht -, der Slogan soll aber daraufhin weisen, daß das Eigentumsrecht nach unserem Grundgesetz (Art. 14 und 15; 26) dem Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit gegenüber zweitrangig ist. Weniger utopisch anmutende Varianten der Parole wären vielleicht: ,,Gegen Pressekonzentration – für Informationsfreiheit“ – in diesem Sinne also sollte die erste Phase der Anti-Springer-Kampagne verstanden werden, die in diesem Semester an fast allen Hochschulorten anläuft. Der Aktionsradius zieht sich über ein weites Feld von Auslieferungsverhinderungen der Bildzeitung bis hin zu Entwürfen für ein demokratisches Pressegesetz. Rechtliche Argumente gegen die Springersche Meinungsdiktatur sollen in Berlin vor einem ,,Springer-Tribunal“ vorgetragen werden. Der „Berliner Extradienst“, Herausgeber des nunmehr unregelmäßig erscheinenden „ Extrablattes“, druckt im November eine „Springer-Ausgabe“ in einer Auflage von 500 000 Stück. Zehn Prozent davon soll in Berlin, der Rest in der Bundesrepublik vertrieben werden. Auch hier in Frankfurt werden Studenten „Extrablätter“ an die Bevölkerung verkaufen. Das Politische Referat des AStA plant außerdem für dieses Semester teach-ins zum Problem Pressekonzentration. Näheres hoffen wir in der nächsten AStA-Info bekanntgeben zu können. Klaus Kreppel (Politischer Referent)

Sondernummer des AStA-Info zur Wahl zum Studentenparlament vom 13. bis 16. November 1967 – Die Auslieferung der Springererzeugnisse muss verhindert werden

Liste 9 Sozialistischer Deutscher Studentenbund (SDS)

Wir dürfen nicht darauf warten, bis man uns unsere Rechte freundlich gewährt, sondern müssen heute unsere Forderungen praktizieren, indem wir . die ,;wertfreie“ Seminardiskussion unmittelbar in eine politische verwandeln, indem wir die Auslieferung von Springererzeugnissen‘ durch sit-ins verhindern – und indem sich die studentischen Vertreter im Senat gegenüber der Studentenschaft nicht an die Schweigepflicht halten. Ebenso werden die Senats- und Fakultätssitzungen erst dann öffentlich sein, wenn wir uns die Öffentlichkeit durch go-ins im Senat erzwungen haben.

Kandidatenliste

1. Grunenberg, Antonia, soz., 2. Düx, Heinz, jur., 3. Thümmel, Kirsten, bio., 4. Kieper, Marianne, soz., 5. Schulz, Till, soz.,
6. lwersen, Ulrike, soz., 7. Mallow, Hannelore, jur., 8. Kopf, Jürgen, math., 9. Loewy, Ronny, soz., 10. Heike, Peter, ehern. pol.,
11 . Risler, Matthias, sinol., 12. Bärmann, Michael, phil., 13. Riechmann, Udo, phil., 14. Bechmann, Gotthard, jur.

AStA-Information Februar 1968 – Nr. 19, Seite 9, enteignet Springer

Aus den Parlamentsprotokollen

Der Senat unter Klaus Schütz hat in Berlin die Demokratie abgeschafft. Er wird aus der Ohrfeige, die das Verwaltungsgericht und die Demonstranten ihm versetzt haben, nichts lernen. Es ist abzusehen, daß er zu immer faschistischeren Maßnahmen greifen wird. Deshalb fordern wir den Rücktritt des Senats: wir fordern die Anpassung des Berliner Versammlungsgesetzes an das der Bundesrepublik; wir fordern die Enteignung des Springer-Konzerns auf der Grundlage der Berliner Verfassung: wir fordern die Einstellung aller politischen Strafverfahren gegen Bürger der Stadt Westberlin; wir fordern die Demokratisierung der freien Universität und die Zurücknahme aller Notstandsmaßnahmen gegen die Opposition der Studenten. AStA 12 ja, 4 nein, 0 enth., angenommen.

AStA-Information, 26. Juni 1968, Nr. 25, Aus dem Parlamentsprotokoll der 13. ordentliche Sitzung vom 30. 4. 1968, Anzeigenkampagne gegen den Springer-Konzern

Antrag 13/1:

Beauftragung des Parlamentes und AStA zur Bildung eines Komitees zur Sammlung von Material über volksverhetzende Berichterstattung über die Osterdemonstrationen und andere Aktionen, auf Grund dessen nach Klärung · der juristischen Möglichkeiten eine Anzeigenkampagne gegen den Springer-Konzern und die-betreffenden Regional-Zeitungen wegen Volksverhetzung in Gang gesetzt werden kann. Dies erfolgt besonders im Hinblick auf informatorische Benutzung, bei Teach-ins und Informationsveranstaltungen in der Öffentlichkeit. gez. Möllenstedt (DB) Birkholz (DB) Schiller (LSD) einstimmig angenommen.

AStA-Information, 12. Dezember 1968, Nr. 30, Pogromaufrufe der Springer-Presse

Der Rektor versucht weiterhin, einen politisch verlorenen Kampf mit juristischen Mitteln zu gewinnen. Dazu halten her: Rechtsaufsicht, Hausrecht, Disziplinarrecht, Strafrecht. Das Verbot der Verbreitung der letzten AStA-Info fällt unter die erste Kategorie – Rechtsaufsicht. Begründet wird es damit, daß Beleidigungen, Verleumdungen und Unwahrheiten schwerwiegender Natur enthalten seien. Es wird der Versuch unternommen, Ausführungen argumentatorisch- interpretativer Natur, die ihren Stellenwert in der gegenwärtigen politischen Auseinandersetzung – zwischen Studentenschaft auf der einen und Landes- und Universitätsadministration auf der anderen Seite haben, einer formalrechtlichen Betrachtungsweise zu unterwerfen. Daß solche Betrachtungsweise scheitern muß, macht allein · deutlich, daß eben dieser Rektor Rechtsaufsichtsbehörde und Vertreter einer technokratischen Hochschulreform, also politischer Gegner, in einer Person ist. Wer freilich den demokratischen und zugleich rationalen Ansatz der Studentenschaft zu einer Studien- und Hochschulreform nicht teilt, wer sein politisches Verhalten an den ‚Kategorien von Macht etc. ausrichtet, dem muß in der Tat jede demokratische Äußerung als Verleumdung und Diffamierung erscheinen. Wer die Pogromaufrufe .der Springer-Presse und führender Politiker billigt, der muß die Charakterisierung eines solchen Verhaltens als „Terror“ = ,,Hygienische Aktion“ eine „Verleumdung“ nennen. Wer Drittelparität zwar zugestehen, doch gleichzeitig die Entscheidungsbefugnis über Inhalt und Form des Wissenschaftsbetriebs behalten will, der wird die Charakterisierung eines solchen Vorgehens als „Heuchelei“ eine „Beleidigung“ nennen. Darüber hinaus schreckt man nicht vor fragwürdigen Konstruktionen zurück. In dem in der Verfügung zitierten Beispiel (,,Aussichten“) sieht der Rektor eine Nichtbeachtung der verwaltungsgerichtlichen Anordnung durch die Studentenschaft. Darin (VG Ffm, Az. II 1 – G – 3/69) heißt es u. a., daß der AStA in Zukunft Aufrufe zu „Streik“ und „Boykott“ von Lehrveranstaltungen und die damit zusammenhängenden Störungen zu unterlassen habe. Dem Rektor muß man sagen, daß eine „Überlegung“ (so der Artikel) ungleich einem Aufruf ist und daß Kampfmaßnahmen auch Demonstrationen etc. sein können. Gegen die wohlbegründeten Forderungen der Studentenschaft setzt der Rektor seine sprachlose Gewalt. ,,Wir werden mit scharfen Maßnahmen diese Banditen, Lügner und Verleumder, die die Hochschulreform zu sabotieren versuchen, eliminieren.“ (Fernsehstellungnahme Rüeggs vom 6.2.1969.) So sieht Rüeggs Recht aus. Und dazu dienen ihm Rechtsaufsicht, Disziplinarrecht und Hausrecht. Carl Schmitt, der Cheftheoretiker des Faschismus, kommt wieder zur Geltung mit seiner zynischen Feststellung: ,,Legalität, das ist die vergiftete Waffe, die man dem politischen Gegner in den Rücken stößt: und Recht bedeutet die legale Prämie auf die faktische Innehabung von Macht.“

Zahlreiche Belege sind auch im Diskus – der Frankfurter Studentenzeitung – auffindbar

Quintessenz der dortigen Ausführungen ist: Die Springerpresse machen die außerparlamentarische Opposition mundtot, sie vernebelt publizistisch die Wirklichkeit, sie blockiert den Zugang zur Politik. Für sie sind die Studenten schlicht parasitäre, amoralische Gammler und Randalierer

Springerkonzern-Manipulation

Siehe auch die folgende Diskus-These, die sich gegen Springer richtet

Diskus Frankfurter Studentenzeitung 17. Jahrgang, November/Dezember 1967:

Der klassische Faschismus erscheint zudem rückwirkend als Anwendung von Gewalt gegen Literaturbeilagen und Prospekte, gegen Kunstgenuß und Häuserwände. Die Verharmlosung des wirklichen Faschismus ist ein weiterer Beitrag zur Verdrängung der Brutalität, mit der das Bürgertum vorgehen kann, wenn es seine Herrschaftspositionen gefährdet sieht. Und nicht nur Springer bezeichnet die Kampagne gegen ihn als dem Antisemitismus der Nazis ähnlich. Soll etwa die entfesselte Gewalt, die Millionen von Juden Tod und Verstümmelung eintrug – als Vernichtung fiktiver Unterdrücker -, der Enteignung eines privaten kapitalistischen. Machthabers vergleichbar sein, die nicht unzähligen Menschen das Leben kosten würde, sondern ,der ·ökonomischen Basis der Unterdrückung mit den Mitteln systematischer Volksverdummung?

faschismus-Diskus

Anlässlich des Bachmann-Attentats auf Dutschke wird Springer zum Vorbereiter des Mordversuchs

Diskus Extra Blatt, April 1968:

Auf den ersten Blick erscheint es unverständlich: was hat der Attentäter Bachmann mit dem Springerkonzern zu tun? Warum geht die politische Reaktion der linken Studenten, Schüler und jungen Arbeiter gegen Springer? Wenn es in den letzten Tagen hieß : Springer-Mörder oder : BILD schießt scharf, dann ist das natürlich eine agitatorische Verkürzung. Ebenso wie der Ruf: Johnson-Mörder als Protest gegen den amerikanischen Imperialismus in Vietnam. Nicht Springer selbst hat den Mordanschlag ausgeführt‘.‘ Aber der Springerkonzern und die politischen Führungen in Berlin und in der Bundesrepublik haben den Mordanschlag möglich gemacht, Sie haben das Klima geschaffen, in dem ein Mordanschlag auf Rudi Dutschke nur als eine ehrenwerte Beseitigung eines kriminellen Terroristenführers gelten kann. Ein Klima, in dem jede Gewalttat gegen linke Opposition auf Verständnis stößt . Springer hat das Bild des Untermenschen geschaffen, des bärtigen, keulenbewaffneten Oppositionellen, der nur auf Gewalt und Terror gegen die friedliche Bevölkerung aus ist. Gestützt auf seine wirtschaftliche Macht hat er eine Hetze angeführt, deren Erfolg in Berlin ständige Bedrohung all derer ist, denen man laut Schütz nur ins Gesicht zu sehen braucht, um zu wissen, wer sie sind. Dutzende von Körperverletzungen kommen in Berlin auf das Konto systematisch aufgehetzter und auf Gewalt gedrillter Springerleser. Bachmann hat nichts weiter getan, als das Urteil der Springerpresse an Dutschke auszuführen: .,Störenfriede ausmerzen!“ Die Aktionen gegen die Springerdruckereien sollten ‚ nur eines der Zentren der Gewalttätigkeit treffen, die Umschlagstelle, auf der Unzufriedenheit mit dieser Gesellschaft in Aggressivität gegen Minderheiten ·umgesetzt wird. Bachmann hat auch die Springerpresse objektiv vor Dutschke und den „Kommunisten“ schützen“ wollen. In den Großeinsätzen der Polizei wurde deutlich. wo die wahren Bachmänner sitzen, und wen sie schützen: Springers Gewalthetze.“

Diskus_68_04_Extra_Blatt

Siehe hierzu auch das Interview mit Stefan Aust am 10. Mai 2027

Abgesagtes „Tribunal“ mit 68ern. Springer hat die Idee einer Aussprache selbst begraben – 2009

23.08.2009 Spiegel Online

„Die Neuauflage eines „Springer-Tribunals“ ist gescheitert – und Verlagschef Döpfner gibt den früheren 68ern die Schuld. Peter Schneider, Bernhard Blanke und Daniel Cohn-Bendit wehren sich auf SPIEGEL ONLINE gegen diesen Vorwurf und betonen: Der „Bild“-Verlag hat den Dialog nie ernsthaft gewollt. Die Idee, das „Springer-Tribunal“ vom Frühjahr 1968 im Herbst 2009 neu zu inszenieren, ist dort begraben worden, wo sie entstanden ist: im Hause Axel Springer. Das Unternehmen hatte nicht gut angefangen mit der Einladung des Springer-Chefs Mathias Döpfner, ehemalige Anführer der Springer-Kampagne sollten sich bei seinem Haus entschuldigen. Gespräche beginnen in aller Regel nicht mit der Aufforderung an den Eingeladenen, den Gastgeber erst einmal um Verzeihung zu bitten. Der Ton ist dann gemildert worden zu der Formel „wir möchten wissen, wie es damals wirklich war“. Aber was sollte herauskommen bei einem Gespräch zwischen so ungleichen Kontrahenten: Die versprengten Aktivisten von einst sind inzwischen um die 70 und haben sich nach Kräften individualisiert. Keiner von ihnen kann oder will als Gesamt-68er im Hause Springer Rede und Antwort stehen. Ihnen gegenüber steht ein kompakter Konzern, zu dessen Geschlossenheit es die antiautoritäre Bewegung bekanntlich nie gebracht hat – ein Konzern mit klaren Geschäftsinteressen. Die Interessen des Springer-Konzerns liegen auf der Hand: Das im kollektiven Gedächtnis aufbewahrte Bild, dass die Zeitungen „Bild“, „B.Z.“ und „Berliner Morgenpost“ in den Monaten vor und nach dem 2. Juni eine Hetzkampagne gegen die rebellierenden Studenten inszenierten und eine Pogromstimmung in der Stadt erzeugten, soll aufgehellt, mindestens differenziert werden. Warum auch nicht, falls sich dafür gute Argumente finden lassen. Aber dazu braucht es kein familientherapeutisches Unternehmen unter dem Vorsitz von Mathias Döpfner unter Mitwirkung eines immerzu gekränkten Beisitzers namens Thomas Schmid , der sich von der Linken nicht verstanden fühlt. Was aber hätte der Gewinn der ehemaligen Aktivisten sein können, wären sie denn der Einladung gefolgt? „Erkenntnisgewinn“, „mehr Wissen übereinander“, wie es in der Erklärung aus dem Hause Springer vom Samstag heißt? Entrüstung bei Springer beruht auf Täuschung oder Selbsttäuschung Um ein solches Ergebnis zu erreichen, wäre ein von unabhängigen Köpfen bestelltes und geleitetes Symposium unter einem neutralen Dach geeigneter gewesen. Die Entrüstung des ehemaligen Radikalen und jetzigen „Welt“-Chefs Thomas Schmid über die „klägliche Verweigerungshaltung“ seiner ehemaligen Mitstreiter beruht entweder auf Täuschung oder Selbsttäuschung: Die Eingeladenen waren bisher nur telefonisch kontaktiert worden, so gut wie niemand hatte seine Teilnahme verbindlich zugesagt. Schmid hat versucht, seine Kandidaten durch die Behauptung, andere Kandidaten hätten längst zugesagt, zu einer Zusage zu bewegen. Da jedoch auch 70-jährige die Grundfunktionen eines Handys beherrschen, stellte sich bald heraus, dass es einen Konsens unter den sonst eher zerstrittenen 68ern gibt: Zu einer als „Springer-Tribunal“ getarnten Pro-Springer-Kampagne im Hause Springer geht man lieber nicht. Nun schäumt und wütet Thomas Schmid in seiner Zeitung gegen „die Front der Nein-Sager“, wirft ihnen Armseligkeit, Selbstgerechtigkeit, gar Verrat an den Idealen der Aufklärung vor. Vielleicht hat er das Allereinfachste vergessen: Jeder hat das Recht, einem Gespräch, von dem er sich wenig oder nichts verspricht, fernzubleiben. Im Übrigen spricht nichts gegen einen Versuch des Springer-Konzerns, sich endlich mit seiner Vergangenheit auseinanderzusetzen. Viele 68er, soweit sie schreiben, haben sich seit Jahren und Jahrzehnten mit ihren Irrtümern in der Zeit der Rebellion beschäftigt. Außer einem einzigen mutigen Satz des ehemaligen „Bild“-Chefs Peter Boenisch – „beide Seiten waren hasserfüllt“ – und dem Eingeständnis von nicht näher benannten „Fehlern“ war von einer vergleichbaren Bemühung aus dem Hause Springer öffentlich bisher nicht viel zu hören. Thomas Schmids halbherziger Versuch, die Berichterstattung der Springer-Presse in der Zeit des 2. Juni zu rehabilitieren, konnte nicht gelingen, weil er sich dabei weitgehend auf die „Welt“ beschränkte. Und muss man nicht die Grundthese des neuen „Springer-Tribunals“ in Zweifel ziehen – die Annahme nämlich, dass die Springer-Kampagne von 67/68 den Ruf des Springer-Konzerns bis heute beschädigt? Könnte es nicht sein, dass es nach wie vor die „Bild“-Zeitung ist, die diesen Ruf jeden zweiten oder dritten Tag aufs Neue ruiniert?“

Das Medienarchiv des Springerkonzerns

Editorial zum Medienarchiv68 von Döpfner

Dr. Mathias Döpfner
von Dr. Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender Axel Springer SE

„Zu wissen, wie es wirklich war, ist schon immer ein Grundimpuls des Journalismus und der Geschichtswissenschaft gewesen – und das ist auch unser Anliegen mit dem Medienarchiv68. Wie wichtig es ist, dass wir uns mit diesem Kapitel deutscher Geschichte und unseres Unternehmens erneut auseinandersetzen, zeigen zwei Meldungen des vergangenen Jahres: Karl-Heinz Kurras, der den Studenten Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 erschoss, war ein inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit. Und der Dutschke-Attentäter Josef Bachmann hielt enge Kontakte zu Neonazis, die von der Stasi wie auch der Polizei beobachtet wurden. Beide Erkenntnisse werfen die Frage auf: Was wäre gewesen, wenn das alles schon damals bekannt geworden wäre? Wir wollen aber nicht spekulieren, sondern uns an das halten, was geschrieben steht. Im Medienarchiv68 haben wir rund 5.900 Beiträge, Kommentare, Leserbriefe, Karikaturen, Reportagen, Glossen und Interviews aus den Jahren 1966 bis 1968 zusammengestellt, die ein Bild vermitteln, wie die Redaktionen von Axel Springer, aber auch andere Medien wie der Berliner „Tagesspiegel“ über die 68er-Bewegung berichtet haben. Was die Texte aus den Blättern der Axel Springer SE betrifft, so ist die Dokumentation nach unserem besten Wissen vollständig. Sollten uns dennoch einzelne Artikel entgangen sein, sind wir für Hinweise dankbar. Schon länger habe ich mir gewünscht, dass unabhängige Wissenschaftler die publizistische Positionierung der Axel-Springer-Zeitungen in der damaligen Zeit wissenschaftlich aufarbeiten. Mit dem Material des Medienarchivs68 ist dies erstmals über eine für jedermann zugängliche Datenbank online und umfassend möglich. Da mag es dann bei der Recherche Überraschungen geben, für uns oder für andere. Mein persönliches, vorläufiges Fazit: Wenn man genauer hinschaut, ergibt sich ein differenziertes Bild. Die These, das Haus Axel Springer sei eine zentral gelenkte Meinungsmaschine gewesen, welche die Studentenbewegung verhindern wollte, bestätigt sich jedenfalls nicht. Kommentarzeilen wie „Stoppt den Terror der Jung-Roten jetzt“ (BILD Berlin, 7. Februar 1968) oder „Wer Terror produziert, muss Härte in Kauf nehmen.“ (B.Z., 3. Juni 1967) werden immer wieder zitiert. Aber war ebenso bekannt, dass die B.Z. auch schrieb „Es ist ein Unding, einen Dutschke zum ,Volksfeind Nr. 1’ stempeln zu wollen“ (B.Z., 22. Februar 1968)? Dass die WELT den Freispruch der Kommunarden Teufel und Langhans begrüßte (WELT, 23. März 1968)? Oder dass BILD nach dem Attentat auf Rudi Dutschke titelte „Millionen bangen mit“ (BILD Berlin, 13. April 1968)? Manche Klischees in den Köpfen erweisen sich auch als Endmoränen einer bis heute wirkungsvollen SED-Propaganda und Stasi-Desinformation. Unser Haus hat großes Interesse an einer ergebnisoffenen Debatte. Dass die Diskussion im vergangenen Jahr über die Rolle unseres Verlags um das Jahr 1968 so intensiv und dynamisch war, hat mich gefreut und beeindruckt. Forschungsarbeiten und Dokumentationen wie „Feindbild Springer“ des Forschungsverbunds SED-Staat oder Tilman Jens’ WDR-Dokumentation „Bespitzelt Springer“ haben dazu viel beigetragen. Auch durch die Ausrichtung der Tagung „1968 und die deutschen Unternehmen“ der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte oder die Öffnung unseres Archivs für die Axel Springer-Biographie von Hans-Peter Schwarz haben wir – so glaube ich – die Aufarbeitung befördert. Natürlich hätte ich mir gewünscht, dass unser Interesse an einem ernsthaften Dialog – dazu gehört ausdrücklich auch die neuerliche Entschuldigung für die journalistischen Fehler, die unser Haus damals gemacht hat – erwidert worden wäre. Dass maßgebliche Akteure der 1968er Bewegung, die immer den offenen Diskurs gefordert haben, diesen auf unsere Einladung zum „Springer Tribunal 2009“ hin verweigert haben, war eine Enttäuschung und eine verpasste Chance. Meine Hoffnung ist, dass dieses Medienarchiv als eine Einladung verstanden wird. Eine Einladung nicht nur an Zeitzeugen von damals, sondern ausdrücklich auch an die Generation danach, sich selbst einen Eindruck zu verschaffen und herauszufinden, wie es damals wirklich war. Sollte sich daraus ein neuer Impuls für die weitere Debatte und wissenschaftliche Aufarbeitung ergeben, würden wir uns freuen. Ich wünsche Ihnen spannendes Stöbern und erkenntnisreiche Recherchen.

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