Das Soziologische Seminar

Das Soziologische Seminar als Teil der Philosophischen Fakultät wird 1966 eingerichtet und ist in der Myliusstrasse 30 untergebracht. Das Leitungsgremium besteht aus den Professoren Adorno, Habermas und von Friedeburg.

Das Soziologisches Seminar: Die Besetzung des Seminars im Dezember 1968 ist die Vorstufe zur Besetzung des Instituts für Sozialforschung im Januar 1969.

Myliusstraße Seminar

Das Soziologische Seminar und die Beziehungen zum Institut für Sozialforschung

Das Soziologische Seminar der Philosophischen Fakultät wird im WS 1966/67 aus dem Institut für Sozialforschung räumlich ausgegliedert und in der Myliusstraße 30 untergebracht. Personell ist es eng verbunden mit dem Institut für Sozialforschung. Adorno und von Friedeburg sind Direktoren beider Einrichtungen. Lediglich Habermas ist nicht gleichzeitig Mitglied des Leitungsgremiums des Instituts für Sozialforschung.

Am 24. März 1966 richtet Habermas ein Schreiben an Strobel, den Stellvertreter des Kurators, in welchem er im Detail erläutert, wie das Seminar räumlich, sächlich und personell auszustatten ist. Zudem bereitet er mit dieser Initiative die Berufung von Friedeburg vor. Schließlich thematisiert er hier die funktionale und personelle Trennung des Seminars vom Institut für Sozialforschung.

In einem weiteren an Strobel gerichteten Schreiben vom 24. Juni 1966 stellt Habermas klar, dass das neu gegründete Soziologische Seminar der Philosophischen Fakultät zugeordnet ist. Hingegen ist das schon bestehende Seminar für Gesellschaftslehre, das von Rüegg und Luckmann geleitet wird, und ebenfalls für das Fachgebiet Soziologie zuständig ist, wie bisher Teil der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät.

Die Gründung des Soziologischen Seminars in der Rückschau von Friedeburgs

Im vorliegenden Zusammenhang bestätigt von Friedeburg rückschauend in einem Interview ausdrücklich, das Institut für Sozialforschung sei wegen der engen Verflechtung mit dem Soziologischen Seminar im Ergebnis für den Diplomstudiengang Soziologie und die notwendigen Prüfungen verantwortlich gewesen. Dann führt er aus:

„In der Myliusstraße gab es ein Haus, in dem die Ärztekammer untergebracht war. Diese zog aus irgendeinem Grund aus
und es gelang dem Kurator, dieses Gebäude per Berufungsvereinbarung, die mir gewährt wurde, für die Soziologieausbildung zu bekommen. Außerdem wurden dort Adorno, Habermas, Mitscherlich und die Soziologieassistenten untergebracht. Ich bekam mehrere Assistenten und einen akademischen Rat, die man damals auch wirklich für die Betreuung der großen Zahl von Studierenden benötigte. Und dieses Gebäude in der Myliusstraße hieß dann „Institut für Sozialforschung (Seminar)“. Drüben auf der anderen Seite gab es, wie gesagt, das Seminar für Gesellschaftslehre.
Ich weiß noch, wie Rüegg als Rektor allen Wert drauf legte, dass wir in den Zeiten, die aufgrund der Studentenbewegung immer schwieriger wurden, hier im Institutsgebäude nicht mehr unsere Vorlesungen ankündigten.“

Die Gründung des Soziologischen Seminars in der Rückschau Rüeggs

In der Tat legt Rüegg im Verlauf der Unruhen darauf Wert, dass die Lehrveranstaltungen unter dem Label „Soziologisches Seminar“ angekündigt werden. (Siehe: Soziologie in Frankfurt. Eine Zwischenbilanz. Herausgegeben von Felicia Herrschaft und Klaus Lichtblau, 1. Auflage, 2010, Seite 316)

Ein Dokument vom 27. Mai 1968 bestätigt die Beziehungsprobleme
zwischen dem Institut für Sozialforschung und dem Soziologischen Seminar

Von Friedeburg wendet sich mit einem Schreiben vom 27. Mai 1968 im Namen des Instituts für Sozialforschung an den Kurator. Er betont, das Soziologische Seminar in der Myliusstraße 30 bestehe als Untereinheit der Philosophischen Fakultät faktisch seit 1966. In dessen Verantwortungsbereich werde innerhalb der Hochschule die soziologische Lehre angeboten und hier werde geforscht. Dementsprechend sei auch der Prüfungsausschuss für Diplom-Soziologen dort mit seiner Geschäftsstelle angesiedelt. Deswegen sei es irreführend, im Vorlesungsverzeichnis festzustellen, das Institut für Sozialforschung erfülle zugleich die Aufgaben eines Seminars der Universität. Vielmehr sei das IfS seitdem ausschließlich für die wissenschaftliche Forschung außerhalb der Universität zuständig.
Dieses Dokument kann hier als PDF-Dokument abgerufen werden:

Das Soziologische Seminar: Epizentrum der Auseinandersetzungen

Es ist nicht zu verkennen: Das Soziologische Seminar ist das Epizentrum der Auseinandersetzungen. Hier studieren die Wortführer des SDS, hier werden die Aktionen geplant und vorbereitet. Hier lehrt der Mentor der Aktivisten Negt. Hierzu wird auf die Sonderseite „Besetzung des Soziologischen Seminars“ verwiesen.

Die Soziologie in der Rückschau

Die Rückschau auf die Entwicklung des Soziologischen Seminars ermöglicht der von Felicia Herrschaft und Klaus Lichtblau herausgegebene Sammelband: Soziologie in Frankfurt. Eine Zwischenbilanz. Herausgegeben von Felicia Herrschaft und Klaus Lichtblau, 1. Auflage, 2010.

Vor allem der zweite Teil der Publikation ist im vorliegenden Zusammenhang informativ:

Teil 2: Interviews und autobiographische Erinnerungen

David Kettler
Ein unvollendetes Lehrstück: Meine Verhandlungen mit drei Frankfurter Schulen. S.257
Walter Rüegg
„Natürlich hätte die Entwicklung einen ganz anderen Verlauf genommen, wenn Karl Mannheim nach dem Krieg nach Frankfurt zurückgekommen wäre.“ S.283
Ludwig von Friedeburg
„Es war die enge Freundschaft und Solidarität mit Adorno, die meine Grundbeziehung zum Institut für Sozialforschung bestimmte.“ S.307
Iring Fetscher
„Ich verbiege mich nicht. Ich sage, was ich für richtig halte.“ S.331
Thomas Luckmann
„Ich habe mich nie als Konstruktivist betrachtet.“ S.345
Ulrich Oevermann
„Der Gegenbegriff zur Gesellschaft ist nicht Natur, sondern Kultur.“ S.369
Hansfried Kellner
„Rekonstruieren, die Augen offen halten und sich nicht irritieren lassen!“ S.407
Günter Dux
„Wenn mir irgend etwas an der Studentenbewegung unmittelbar plausibel war, dann die Kritik an der Universität.“ S.425
Alois Hahn
„In der Höhle des Löwen.“ Das doppelte Paradigma in der Frankfurter Soziologie der 60er Jahre. S.435
Herbert Schnädelbach
Links und rechts der Zeppelinallee: Die beiden Seiten Adornos. S.449
Eike Hennig
„Ich finde, dass die Soziologie eigentlich das interessantere und anspruchsvollere Fach ist.“ S.473
Tilman Allert
„Habermas hat die Innovationsbedürftigkeit gespürt.“ S.487
Wolfgang Glatzer
„Was für Bagatellen! Wieso haben die sich gestritten?“ S.499

Zudem werden im Anhang: Dokumente zur Soziologie in Frankfurt präsentiert

1. Chronik zur Geschichte der Soziologie in Frankfurt. S.509
2. Dokumente anlässlich der Berufung von Franz Oppenheimer nach Frankfurt. S.521
3. Dokumente anlässlich der Berufung von Karl Mannheim nach Frankfurt S.525
4. Dokumente anlässlich der Berufung von Friedrich H. Tenbruck nach Frankfurt. S.533
5. Bericht von Ivo Frenzel über die Umstände der Berufung von Horst Baier zum Adorno-Nachfolger in Frankfurt. S.551
6. Erste Diplomprüfungsordnung für Soziologie der Universität Frankfurt von 1954/55. S.555
7. Liste der Dekaninnen und Dekane des Fachbereichs Gesellschaftswissenschaften seit seiner Gründung im Jahr 1971. S.567

Im Vorwort wird hervorgehoben, dass der Sammelband die Veränderungen im Bereich von Studium und Lehre illustriere. Er sei ein gemeinsames Produkt von Studierenden, akademischem Personal des Mittelbaus und der Professorenschaft. Er sei noch im Rahmen des alten, auslaufenden Diplom-Studiengangs entstanden.