Der Taherikonflikt – 15. April 1969 bis 31. April 1969

In den Märzwochen 1969 pausieren die studentischen Aktionisten. Auch sie ziehen sich in die Semesterferien zurück. Wenige Tage vor Beginn der Lehrveranstaltungen des Sommersemesters 1969 beginnt es aber schon wieder zu brodeln.

Diesmal bietet der „Fall Taheri eine willkommene Gelegenheit, Konfrontationen zur Universitätsadministration aufzubauen.

Die Datumsübersicht

  • Dienstag, 15. April 1969: Die Forderungen des Vereins Iranischer Studenten.
  • Mittwoch, 23. April 1969: Taheri erscheint im Universitätssekretariat und versucht, sich zu immatrikulieren
  • Donnerstag, 24. April 1969: Das Immatrikulationsbüro wird vorübergehend geschlossen
  • Freitag, 25. April 1969: Der Einschreibetrieb wird blockiert. Die Polizei räumt.
  • Samstag, 26. April 1969
  • Sonntag, 27. April 1969
  • Montag, 28. April 1969 – Der Einschreibebetrieb wird gestört. Deswegen Polizeieinsatz
  • Dienstag, 29. April 1969: Der Einschreibebetrieb wird gestört. Deswegen Polizeieinsatz

Die Vorgeschichte

Ahmad Taheri, geboren im Jahre 1933 im Iran (Mashad), ist im WS 1961/62 für Volkswirtschaft und anschließend bis zum Ende des
WS 1967/68 in der Philosophischen Fakultät für den Studiengang Soziologie als ordentlicher Student eingeschrieben. Dort belegt er im Verlauf von 10 Semestern soziologische Veranstaltungen. Bis zum 31. Dezember1966 muss er sich zu der Vordiplomprüfung melden. Im Frühjahr 1968 bricht er das Studium ab und reist in seine Heimat. Da er für das WS 1967/68 die fälligen Gebühren und Beiträge nicht zahlt, exmatrikuliert ihn die Hochschule rückwirkend. Rechtlich scheidet er somit zum Ende des Sommersemesters 1967 aus der Hochschule aus.
Ende Februar 1969 kehrt er nach Frankfurt zurück.

Taheri und der SDS

In Frankfurt gerät er als SDS-Mitglied in das Blickfeld der Frankfurter Polizei, als er im Verlauf eines Polizeieinsatzes im Walter Kolb Heim – dem Hauptquartier des SDS – am 31. März 1969 Zeuge einer Verhaftung Krahls wird.

Hierüber berichtet der Spiegel:

Krahl erlitt neben anderen Verletzungen einen doppelten Nasenbeinbruch. Seine Festnahme währte nur wenige Stunden, und noch in derselben Nacht erstattete er Anzeige gegen die Beamten wegen Körperverletzung. Mitstreiter Taheri hingegen blieb sitzen. Er war nach längerem Heimataufenthalt erst wenige Wochen zuvor wieder nach Deutschland gekommen und konnte noch keinen festen Wohnort nachweisen. Staatsanwalt Wolfgang Uchmann ermittelte gegen ihn wegen Landfriedensbruchs, Aufruhrs, versuchter Gefangenenbefreiung und schwerer Körperverletzung. Elf Tage saß Taheri in der Frankfurter Hammelsgasse. Am 10. April sicherte der Haftrichter ihm die Entlassung unter der Auflage zu, sich polizeilich zu melden und zweimal wöchentlich auf dem zuständigen Revier vorzusprechen. Doch statt in Freiheit kam der Student aus dem Untersuchungsgefängnis in eine Arrestzelle des Polizeipräsidiums. Dort eröffnete ihm am späten Nachmittag Inspektor Ernst Engelmann von der Ausländerpolizei, daß er nach Teheran abgeschoben werde. Formeller Grund der Ausweisung: Taheri sei während seiner früheren Studien in Frankfurt nicht immer im Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung gewesen. Wie eilig es der Ausländerpolizei war, den Studenten loszuwerden, zeigt die Schnelligkeit, mit der die Abschiebung vorbereitet wurde. Noch bevor Tahert von dem Beschluß unterrichtet worden war, hatte die Ausländerbehörde durch ein Reisebüro bei der tschechischen Fluggesellschaft CSA für den nächsten Tag auf den Namen Taheri einen Flug nach Teheran buchen lassen. Der Verdacht, der Perser solle als unliebsamer Zeuge der Polizei-Schlägerei mit SDS-Krahl beizeiten außer Landes gebracht werden, schien selbst der staatserhaltenden »Frankfurter Allgemeinen« nicht abwegig: »Die Ereignisse … können den Verdacht nähren«, daß die Ausländerbehörde »auf Biegen oder Brechen einen ihr unliebsamen Mann aus dem Weg schaffen wollte«. Taheri nämlich will mit eigenen Augen gesehen haben, daß Krahl das Nasenbein erst zertrümmert wurde, als beide schon festgenommen und im Polizeiwagen auf der Fahrt zum Präsidium waren. Das Tempo, das die Ausländerpolizei bei der Beschaffung des Flug-Tickets entwickelt hatte, fiel sofort wieder auf das amtsübliche Normalmaß, als es darum ging, Taheri-Anwalt Johannes Riemann zu benachrichtigen: Erst am späten Vormittag des 11. April informierte Inspektor Engelmann den Rechtsanwalt über den geplanten zwangsweisen Abflug seines Mandanten; die Ausweisungs-Verfügung wurde dem Anwalt, der ungeduldig im Präsidium darauf wartete, erst in den Abendstunden überreicht. Riemann: »Da haben alle Gerichte zu, das weiß jedermann.« Eine einstweilige Anordnung des Gerichts jedoch war für den Anwalt der einzige Weg, seinen Mandanten vor der Abschiebung zu bewahren, da auch ein sofortiger Widerspruch gegen die Polizei-Verfügung keine aufschiebende Wirkung gehabt hätte. Noch während Anwalt Riemann den Amtsbescheid studierte, wurde sein Mandant zu einem bereitstehenden Polizeifahrzeug geführt, das ihn zum Rhein-Main-Flughafen brachte. Doch inzwischen waren Taheris Apo-Freunde alarmiert worden. Eine SDS-Arbeitskonferenz brach ihre Diskussion kurzerhand ab, und rund 300 Genossen steuerten ebenfalls den Flughafen an. Auf dem — gewöhnlich streng abgeriegelten — Vorfeld versuchten sie, eine Lufthansa-Boeing zu stürmen, die nach München starten sollte. Die Demonstranten nahmen irrtümlich an, Taheri sei an Bord. Knüppelschwingendes Bodenpersonal und wild kurvende Kombiwagen aus dem Luftfrachthof drängten die Taheri-Hilfstruppe ab, in der Abflughalle zersplitterte am Schalter der Iran Air die gläserne Anzeige-Tafel, gingen Glastüren zu Bruch. Die Sprechchöre »Freiheit für Taheri« und »Keine Deportation« kamen schließlich auch dem Station Manager der CSA, Francisco Berenger, zu Ohren. Er war erst kurz vor dem Abflug der Prager Maschine darüber informiert worden, daß Taheri kein normaler Fluggast, sondern »eine unerwünschte Person« sei. Berenger, beunruhigt über das Apo-Treiben auf dem Flughafen, wies seinen Piloten an, ohne den persischen Passagier zu starten. Der hatte mittlerweile — obwohl in der Wachstube des auf dem Flughafen stationierten Bundesgrenzschutzes unter Aufsicht — eine halbe Rasierklinge aus der Hemdtasche gefingert und seine Pulsader angeritzt. Taheri: »Es kam ein bißchen Blut, aber ein bißchen Blut half mir nicht. Ich drückte mit aller Kraft mit dem Daumen auf die Rasierklinge. Plötzlich ging das Blut hoch, und ich war natürlich sehr froh.« Der Student wurde gerettet und zunächst auch im Land belassen: Da Rechtsanwalt Riemann inzwischen bei der Ausländer-Bundesbehörde im bayrischen Zirndorf Asyl für Taheri gefordert hatte, setzte die Frankfurter Ausländerpolizei die sofortige Vollstreckung der Abschiebung bis zur Entscheidung über diesen Antrag aus. Riemanns Begründung: Der Student habe in der Heimat wegen seiner politischen Einstellung mit der Verhaftung zu rechnen. Taheri nämlich will mit eigenen Augen gesehen haben, daß Krahl das Nasenbein erst zertrümmert wurde, als beide schon festgenommen und im Polizeiwagen auf der Fahrt zum Präsidium waren. Die Polizei entdeckt, dass er keine Aufenthaltserlaubnis hat. Sie kann ihm zunächst nicht gewährt werden, denn er ist nicht mehr Student. Deswegen droht ihm die städtische Ausländerbehörde die Abschiebung nach Persien an und veranlasst am 14. April 1969 seine Verhaftung. Nach wenigen Tagen ist er wieder in Freiheit, denn er stellt nunmehr einen Asylantrag, der ein vorübergehendes Bleiberecht auslöst. Unter Auflagen wird er entlassen und schließlich Ende April der Haftbefehlt endgültig aufgehoben. In dieser Situation beantragt Taheri am 23. April 1969 bei der Universität seine Immatrikulation. Der Sekretariatsleiter, Reichhardt, informiert ihn mündlich darüber, dass die Antragsfrist schon am 14. April 1969 abgelaufen ist. Diese Versäumnis sei aber unschädlich, wenn dies unverschuldet geschehen sei. Taheri nimmt dies zur Kenntnis und kündigt an, er werde Gründe nachtragen, die ihn entlasten. Trotzdem besteht dieser auf einen Bescheid, um Widerspruch einlegen zu können. Daraufhin wird dieser vorläufige Ablehnungsbescheid erteilt.

Der Spiegel, 19/1969, 04.05.1969

Die Forderungen des Vereins Iranischer Studenten
am 15. April 1969

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Der SDS droht, die
Immatrikulationsakten zu vernichten

Mit einem Flugblatt vom 23. April 1969 protestiert der SDS gegen die Verweigerung der Immatrikulation Taheris. Er kündigt an, man werde gemeinsam mit Taheri dessen Einschreibung im Sekretariat durchführen.

Zitat: „Falls die Universität sich weiterhin weigert, -Taheri die Fortsetzung seines Studiums zu gestatten, wird dafür gesorgt werden, daß ihre Verwaltung in Zukunft ohne Anmelde- und Immatrikulationsakten auskommen muß.

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Taheri erscheint am 23. April 1969 im Universitätssekretariat, um sich zu immatrikulieren

Taheri meint, er könne sich dieser Abschiebung entziehen, wenn er sich erneut als Studierender an der Universität einschreibt. Freilich ist zu diesem Zeitpunkt die im Vorlesungsverzeichnis bekanntgegebene Einschreibefrist, der letzte Termin ist der 14. März 1969, schon längst abgelaufen. Trotzdem erscheint er am Vormittag des 23. April 1969 im Schalterraum des Universitäts-Sekretariats, das im Erdgeschoß des Hauptgebäudes liegt. Er beantragt, ihn für das Sommersemester 1969 erneut zu immatrikulieren. Die zuständige Sachbearbeiterin informiert ihn über die versäumte Einschreibefrist. Nach ihrem Ablauf seien Anmeldungen nicht mehr möglich. Taheri spricht daraufhin bei dem Sekretariatsleiter Reichart vor, der erneut an die Fristversäumnis erinnert. Er betont, die Universität habe schon eine Reihe von nachträglichen Aufnahmegesuchen abschlägig beschieden.

Taheri bleibt hartnäckig. Schließlich schaltet sich der juristische Sachbearbeiter des Rektorats ein. Riehn erläutert ihm, es handle sich um eine Ausschlussfrist, deren Versäumnis nur dann unschädlich sei, wenn diese nachweisbar nicht verschuldet sei. Zunächst erklärt Taheri, er habe die Frist versäumt, weil er sich in Untersuchungshaft befunden habe, muss jedoch auf Befragen zugeben, er sei erst nach dem 15. März 1969 verhaftet worden. Dieser Umstand kann also die Fristversäumnis nicht ausgelöst haben. Er berichtet sodann, vorher habe er sich in Persien aufgehalten. Deswegen habe er sich nicht anmelden können.

Riehn betont, dies könne ihn nicht entschuldigen, denn es sei möglich gewesen, sich auch brieflich anzumelden. Was für hunderte von ausländischen Studienbewerbern gelte, müsse auch er beachten. Gerade vor dem laufenden Semester sei eine Vielzahl von Studierenden, welche die Anmeldefrist versäumt hätten, abgewiesen worden. In mehreren Fällen sei ein Auslandsaufenthalt nicht als Entschuldigung anerkannt worden. Man könne Taheri nicht ein Recht zugestehen, das man anderen Bewerbern habe verweigern müssen. Andere Gründe trägt Taheri nicht vor. Er versichert am Ende des Gesprächs, die Immatrikulation sei für ihn sehr wichtig, denn er habe dann größere Chancen, in Deutschland bleiben zu dürfen.

Die Universität empfiehlt Taheri,
seinen Antrag auf Fristverlängerung zu begründen

Es wird dann Taheri empfohlen, schriftlich zu begründen, warum es ihm bisher nicht möglich gewesen ist, seine Immatrikulation zu beantrage. Man werde sich bemühen, zu einer für ihn günstigen Entscheidung zu kommen. Er solle so schnell wie möglich, im eigenen Interesse weitere Unterlagen einreichen. Am selben Tag, gegen 16 Uhr, ruft Burkhard Bluem als Mitglied des Bundesvorstandes des SDS im Rektorat an und fragt Riehn, wie im Fall Taheri entschieden worden sei. Riehn erläutert ihm kurz die Situation. Am Ende des Gesprächs äußert Bluem, der Prorektor solle sich die Entscheidung genau überlegen. Am nächsten Morgen um 10 Uhr werde Taheri noch einmal vorsprechen. Werde sein Antrag abgelehnt, stünden am Freitag einige hundert SDS-Leute vor dem Rektorat.

Das Flugblatt des SDS vom 23.04.1969:

Noch am selben Tag ruft ein Flugblatt des SDS zu Solidaritätsaktionen auf. Die Universitätsverwaltung bemühe sich darum, der Ausländerpolizei für ihren Versuch, Taheri nach altbewährter Gestapo-Methode in einer Nacht- und Nebelaktion nach Persien abzuschieben, nachträglich Legitimationshilfe zu leisten:

„Nachdem die Frankfurter Ausländerpolizeibehörde im Falle Taheris Schiffbruch erlitten hat (ihr Leiter Meyer liegt mit einem Kreislaufkollaps darnieder), nachdem der entnervte Uchmann, um für die Polizei Schlimmeres zu verhüten, unter der Hand angeboten hat, das Verfahren gegen Taheri niederzuschlagen, versucht nun die Frankfurter Universität sverwaltung, der in Schwierigkeiten geratenen Staatsgewalt wieder auf die Beine zu helfen. Heute morgen weigerte sich Justitiar Riehn als Vertreter der Universität, Taheri die Fortsetzung seines Studiums zu gestatten. Zur Begründung berief er sich scheinheilig auf die Versäumnis von ‚Ausschlußfristen‘ und fragte interessiert, ob Taheri sich nicht (fristgemäß) während seiner Abschiebehaft bzw. während seines Aufenthaltes in der Nervenklinik habe anmelden können. – Taheri hat an der Frankfurter Universität  bereits 11 Semester Soziologie studiert. Die mit formalen Vorwänden verschleierte Weigerung, ihm die Fortsetzung seines Studiums zu gestatten, macht deutlich, daß in der Universitätsverwaltung das gleiche politische Klima wie bei den Faschisten der Ausländerpolizei herrscht.

Die Universitätsverwaltung ist offensichtlich darum bemüht, der Ausländerpolizei für ihren Versuch, Taheri nach altbewährter Gestapo – Methode in einer Nacht – und Nebelaktion nach Persien abzuschieben, nachträglich Legitimationshilfe zu leisten. Die Weigerung der Universität, Taheri zum Studium zuzulassen, liefert der Ausländerpolizei darüber hinaus einen erwünschten Vorwand, das von Taheri inzwischen eingereichte Asylgesuch abzulehnen. Die Frankfurter Studenten werden nicht zulassen, daß die Universitätsverwaltung sich als Zweigbehörde der Ausländerpolizei betätigt. Falls die Universität sich weiterhin weigert, Taheri die Fortsetzung seines Studiums zu gestatten, wird dafür gesorgt werden, daß ihre Verwaltung in Zukunft ohne Anmelde – und Immatrikulationsakten auskommen muß. Wir werden am Donnerstag, den 24.4.1969, gemeinsam mit Taheri dessen Einschreibung im Sekretariat durchführen. – Treffpunkt: 10.00 Uhr vor dem Studentenhaus.“

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Der Rektor ordnet am 24. April 1969 vorsorglich die Schließung des Sekretariats an

Namentlich die Drohung, die Immatrikulationsakten zu entwenden, verheißt Schlimmes. Prorektor Rammelmeyer ordnet deswegen an, am Donnerstag, den 24. April 1969, das Sekretariat geschlossen zu halten, um Zwischenfälle zu vermeiden. Allerdings soll am folgenden Tag laut Vorlesungsverzeichnis letztmals die Möglichkeit bestehen, sich zu immatrikulieren. Am Donnerstagmorgen trifft Taheri mit seinem Rechtsbeistand, Rechtsanwalt Riemann, und dem AStA – Vorsitzenden Hartmann mit Rammelmeyer zusammen, um neue Gründe die nachträgliche Immatrikulation Taheris vorzutragen. Währenddessen versammeln sich vor dem Rektorat – in der Vorhalle des Hauptgebäudes – schätzungsweise 500 Studenten und drohen, das Rektorat und das Sekretariat zu stürmen, wenn Taheri nicht eingeschrieben werde. Ultimativ fordern deren Sprecher eine für Taheri günstige Entscheidung. Polizei steht bereit, um Ausschreitungen zu verhindern. Der Prorektor verspricht, die vorgetragenen Gründe Taheris zu prüfen, erklärt jedoch, er sei nicht gewillt, seine Entscheidung unter Druck zu fällen. Sie solle in der nächsten Woche nach Beratung mit dem gegenwärtig nicht in Frankfurt weilenden Rektor verkündet werden. Die versammelten Studenten, die sich nach Bekanntwerden dieses Besprechungsergebnisses gegen 12 Uhr zerstreuen, kündigen weitere Aktionen für die folgenden Tage an.“

Eine erneute die Schließung des Sekretariats am Folgetag kommt nicht in Frage

Für den 25. April 1969 kommt eine erneute Schließung des Sekretariats nicht in Frage. Den Interessierten muss die Möglichkeit gegeben werden, sich ordnungsgemäß zu immatrikulieren. In Abstimmung mit dem Kultus- und Innenministerium fordert deswegen Prorektor Rammelmeyer Polizeischutz an. Um 8.00 Uhr öffnet das Sekretariat. Die Einschreibungen beginnen. Wie immer am letzten Tag des Einschreibeverfahrens ist der Andrang der Studenten sehr stark. Der Sekretariatsbetrieb verläuft bis 10.00 Uhr völlig ruhig. Währenddessen verteilt der SDS vor der Universität ein Flugblatt, in dem er ankündigt, man werde Rückmeldungen so lange verhindern, bis Taheri sich immatrikulieren könne.

Der SDS sucht die „Kampfsituation“

Am 25. April 1969 legt der SDS offen worum es ihm geht! Es geht nicht nur um die Person Taheris, sondern um eine prinzipielle Auseinandersetzung mit der Universitätsbürokratie im Rahmen des Versuchs, den Wissenschaftsbetrieb neu zum bestimmen.

Diese Neuorganisation des Studiums begegnete die Administration mit Strafanzeigen und Disziplinarverfahren. Somit geht es nicht nur um Ausweisung (Taheris) oder Immatrikulation, sondern um eine exemplarische Kampfsituation, die es notwendig macht, über den verbalen Protest hinaus den einseitigen, durch formalisierte, administrative Kompetenzen und Interpretationsherrschaft abgesicherten Machtvorsprung der Universitätsbürokraten materiell zu brechen.“

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Die Blockade des Immatrikulationsbüros am 25. April 1969, um die Einschreibung von Taheri zu erzwingen

Auch Cohn-Bendit verteilt dieses Flugblatt, nachdem er sich allerdings zuvor im Sekretariat zurückgemeldet hat. Gegen 10.00 Uhr drängt sich eine größere Anzahl von Studenten in die Schlange der vor dem Sekretariat Wartenden. Sie versuchen, den Betrieb zu blockieren. Es kommt zu Schlägereien zwischen denjenigen, die an der Einschreibung interessiert sind, und den Eindringlingen. Einige versuchen, Stempel zu entwenden. In den Fluren verbreitet sich der beizende, ranzige Gestank von verschütteter Buttersäure. An den Arbeitsplätzen der Sachbearbeiterinnen des Sekretariats explodieren unter starker Rauchentwicklung mehrere Knallkörper. Die bedrohten Angestellten verlassen daraufhin ihre Arbeitsplätze. Die Einschreibungen müssen deswegen für kurze Zeit unterbrochen werden. Polizisten sorgen für den Schutz der Akten und Immatrikulationsunterlagen.

Um wieder zu einem geordneten Sekretariatsbetrieb zu kommen, wird über Megaphon aufgefordert, das Sekretariat und den davor gelegenen Gang freizumachen. Als diese Aufforderung nur teilweise befolgt wird, drängen Polizeibeamte die Anwesenden bis auf etwa 50 Personen aus dem Sekretariat. Dabei kommt es zu Zwischenfällen, in deren Verlauf die Polizei einige Personen festnimmt. Kurz darauf werden alle Studenten, die sich einschreiben oder rückmelden wollen, wieder in kleinen Gruppen zum Sekretariat durchgelassen. Gegen 12.30 Uhr sind ausnahmslos alle Studenten, die sich einschreiben wollen, abgefertigt und alle Zugänge wieder geöffnet. Der Prorektor verlängert die Einschreibefrist wegen der am Donnerstag ausgefallenen Zeit bis einschließlich Montag, den 28.4.1969. Während der geschilderten Ereignisse geht der Vorlesungsbetrieb in den Hörsaalgebäuden im wesentlichen ungestört weiter.


Der Einsatzbericht der Polizei vom 25. April 1969

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Die Pressemitteilung des Rektors vom 25. April 1969

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Ein neuer Angriff auf das Immatrikulationsamt
am 28. April 1969 und der Polizeieinsatz

Nach den Erfahrungen am Freitag, den 25. April 1969, stehen also am Montag, den 28. April 1969, erneut erhebliche Störungen bevor. Vor allem muss das Sekretariat mit seinen unersetzlichen Aktenbeständen gesichert werden. Der Beleg- und Rückmeldebetrieb beginnt um 8.00 Uhr zunächst ohne besondere Zwischenfälle. Lediglich eine Gruppe von ungefähr 20 jungen Leuten versucht, den Zugang zu blockieren, was ihnen nicht gelingt. Nur einige wenige Polizeibeamte schützen die Büroräume. Sie lassen die Studenten in kleinen Gruppen in die Amtsräume ein. Als sich gegen 9.00 Uhr eine Warteschlange bildet und damit die Situation unübersichtlicher wird, ruft die Einsatzleitung der Polizei weitere Beamte herbei. Das um 10 Uhr angesetztes Teach-In findet erst gegen 10.45 Uhr statt und erschöpft sich in der Aufforderung, in das Hauptgebäude einzudringen und die Einschreibung zu verhindern.

Unter Führung von Frank Wolff drängen schließlich etwa 100 Personen in den Flur vor dem Sekretariat. Die Eindringlinge werfen abermals Glasfläschchen mit Buttersäure zu Boden und zünden Knallkörper. Das lärmende Durcheinander, der ranzige Gestank der Säure und die Rempeleien der aggressiven Eindringlinge verbieten es, weiter die Einschreibung zu betreiben. Wie schon am vorangegangenen Freitag fordert die Polizei dazu auf, die Vorhalle der Universität und den Gang vor dem Sekretariat freizumachen. Dies geschieht im Wesentlichen ohne größere Zwischenfälle. Sieben Personen nimmt die Polizei fest, denen sie Widerstand gegen die Staatsgewalt, versuchte Gefangenenbefreiung und Hausfriedenbruches vorwirft. Erneut explodiert eine Reihe von Knallkörpern und Buttersäurefläschchen zersplittern in der Eingangshalle. Nach Beendigung der polizeilichen Räumung versucht das Sekretariat das Einschreibungsverfahren fortzusetzen. Die Polizeikräfte lassen kleine Gruppen von Interessierten in das Hauptgebäude und begleiten sie zu den Amtsräumen. Zur gleichen Zeit riegelt die Polizei den Haupteingang der Universität ab, vor dem sich schätzungsweise 400 Personen, die Kanonenschläge und andere Gegenstände gegen die Polizisten werfen, stauen. Als Steine und Flaschen fliegen, die Scheiben der Eingangstür zersplittern und die Lage immer bedrohlicher wird, riegelt die Polizei in einem nach Außen gehenden Halbkreis den Haupteingang hermetisch ab. Auch schützt sie den westlichen Seiteneingang. Währenddessen agitieren SDS – Mitglieder – unter ihnen Frank Wolff – über am Studentenhaus angebrachte Lautsprecher.

Nach etwa einer halben Stunde zieht sich die Polizei in den Haupteingang zurück. Daraufhin schleppen die Demonstranten eine inzwischen in der Jügelstraße errichtete Barrikade vor das Hauptgebäude, werfen Steine in Richtung Haupteingang, deren Glasscheiben zerbersten, und dringen auf die „Verteidiger“ ein. Erneut hageln Kanonenschläge und Gegenstände verschiedenster Art auf die mit Schutzhelmen bewehrten Polizisten. Die Lage wird unhaltbar gefährlich. Schließlich fordert der Einsatzleiter dazu auf, den Platz zu räumen. Dann drängen die Ordnungskräfte – es handelt sich schließlich um 253 Beamte – die Demonstranten in Richtung Gräfstraße und Bockenheimer Warte ab. Vor der Universität fahren zwei Wasserwerfer auf.

Plötzlich schleudern Unbekannte aus dem Studentenhaus – auch aus den AStA – Räumen – leere Flaschen und Steine gegen die Fahrzeuge. Die Reaktion bleibt nicht aus: Die Wasserwerfer richten ihre Rohre gegen die geöffneten Fenster, hinter denen man die Täter vermutet. Als dies die Täter nicht daran hindert, ihr Tun fortzusetzen, dringen Polizisten in das verbarrikadierte Studentenhaus ein und verhaften 22 Personen wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs. Unter den Festgenommenen befindet sich auch der AStA – Vorsitzende Hartmann. Sieben Polizeibeamte müssen, teilweise erheblich verletzt, abtransportiert werden. Zur gleichen Zeit sprengen Störtrupps eine Reihe von Vorlesungen und Seminaren, darunter auch Klausurprüfungen.“


Der weitere Angriff auf das Immatrikulationsamt
am 28. April 1969

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Die Angreifer nutzen am 28. April 1969 auch das Studentenhaus für ihre Aktionen

690612-Polizei-Dienstliche-Erklaerung-Studentenhaus

Sicherstellung von 3 Lautsprechern
im Studentenhaus am 28. April 1969

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Die Reaktion der Stiftung Studentenhaus

Noch am selben Tag reagiert Professor Diestelkamp als Vorstandsvorsitzender der Stiftung Studentenhaus auf das Eindringen der Polizei in das Gebäude: Als Träger des Hausrechts im Studentenhaus verurteilt der Vorstand „die Brutalität des Polizeieinsatzes“ und verlangt von den zuständigen Stellen die Überprüfung der Vorgänge und die Bestrafung der Schuldigen. Auf das entsprechende Flugblatt wird verwiesen.

Bericht des Rektorats über
die Ereignisse am 28. April 1969

690428-Stoerung-Betrieb-Sekretariat-Bericht-Rektorat

Bericht eines Unbeteiligten
über die Ereignisse am 28. April 1969

Ein Mitarbeiter des Seminars für Finanzwissenschaft, Herr Kressmann, berichtet ebenfalls, was aus seiner Sicht an diesem Tag geschieht:

690428-Bericht-Kressmann-Polizeieinsatz-28.04.1969

Der AStA meldet sich zu Wort

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Die Strafanzeige gegen Frank Wolff:
Hausfriedensbruch am 28. April 1969

690505-Strafanzeige-Prorektor-gegen-Frank-Wolff-Hausfriedensbruch-28.04.1969

Die Strafanzeige bezieht sich auf die folgende Erklärung von Joachim Roth, dem Mitarbeiter des Universitätsrats Riehn:

690609-Strafanzeige-Rektor-gegen-Frank-Wolff-Hausfriedensbruch-28.04.1969

Der erneute Angriff auf das Immatrikulationsamt am 28. April 1969, der Polizeieinsatz und einige Bilder

Am 29. April 1969 ruft der SDS zu einer „Bullen-Immatrikulationsschau“ auf

Am frühen Morgen ruft der SDS in einem Flugblatt dazu auf, ab 8:00 Uhr eine große „Bullen-Immatrikulationsschau“ zu veranstalten.

690429_Flugblatt_SDS_Die-Bullen-haben-den-heissen-Sommer-eingeleitet

Erneut muss zum Schutz des Universitätshauptgebäudes und des Immatrikulationsbüros die Polizei zu Hilfe kommen

Der folgende Verlaufsbericht der Polizei beschreibt den Einsatz im Detail:

690429-Verlaufsbericht-Einsatz-Polizei

Das folgende Video veranschaulicht die Aggressivität der Angreifer:

Der Bericht eines Unbekannten
zu den Ereignissen am 29. April 1969

690429-Bericht-Unbekannt-Polizeieinsatz

Der Bericht eines Unbeteiligten
zu den Ereignissen am 29. April 1969

Herr Kressmann, Mitarbeiter des Seminars für Finanzwissenschaft, stellt anschaulich dar, was seit 11:00 Uhr geschieht: Der Haupteingang und die Zugänge zum Immatrikulationsbüro sowie zum Rektorat können nicht mehr ohne weiteres betreten werden. Nur Personen mit Dienstausweis werden hineingelassen. .

690430-Bericht-Kressmann-Polizeieinsatz-29.04.1969

Die Erklärung des Rektors zum „Fall Taheri“

Als der Rektor am 29. April 1969 von einer Dienstreise nach Jugoslawien zurückkehrt, wird er mit der neuen Situation konfrontiert. In einer Extraausgabe des Uni-Reports vom selben Tag bestätigt er ausdrücklich, dass er den in seiner Abwesenheit angeforderten Polizeischutz billigt:

690429-Uni-Report-Aktuell-Rektor-Die-Machtprobe

Der ablehnende Widerspruchsbescheid vom 29. April 1969

Zudem entscheidet der Rektor, den Antrag Taheris auf Fristverlängerung erneut abzulehnen. Taheri hat nämlich nicht hinreichend dargelegt, dass es ihm unverschuldet erst nach dem 14. April 1969 möglich war, die Immatrikulation zu beantragen:

690429-Widerspruchsbescheid-Rektor-Taheri

Schließlich verurteilt auch der Akademische Senat am 30. April 1969
in einer Sondersitzung den Immatrikulationsboykott

Er spricht Rektor Rüegg und Prorektor Rammelmayer für deren besonnenes Verhalt aus. Zudem erklärt der Rektor am 2. Mai 1969, erfreulicherweise sei es trotz des Polizeieinsatzes gelungen, die Vorlesungen weiter zu halten und Prüfungen durchzuführen

690502-UniReport-Erklaerung-Senat-Polizei-in-der-Universitaet

Rückschauend

690501-FR-Der-Fall-Taheri