Veit Feger, SHB

Geboren am 29. März 1944 in Ehingen. Sohn aus einer Verlegerfamilie in Ehingen/Donau, Studium der Philosophie und Soziologie ab SS 1965 an der Universität Frankfurt, Mitherausgeber des Diskus und Hochschulreferent des AStA. – Später: Verleger und Redaktionsleiter der Ehinger Ausgabe der „Schwäbischen Zeitung“

Veit Feger, 76 Jahre, immer noch lächelnd

Veit Feger 1970, als er schon nicht mehr in der Studentenpolitik aktiv ist

Die Rolle von Veit Feger im Verlauf der Frankfurter Studentenbewegung

Die Rolle, die Veit Feger im Verlauf der Frankfurter Studentenbewegung einnimmt, ist eher unauffällig. Vom Juni 1967 bis zum Sommer 1969 engagiert er sich als Hochschulreferent des AStA und ist in dieser Zeitspanne Mitherausgeber der Studentenzeitung „Diskus“ sowie der „AStA Information“. Er ist eng befreundet mit Hans-Jürgen Birkholz.und Claus-Peter Zeitinger.

Veit Feger in einem sit-in, lächelnd mit Brille und Halbglatze

Der Artikel von Veit Feger: „Hochschulreform und Hochschulgesetz“ vom Dezember 1967

Wird noch von Riehn kommentiert!

Veit Feger Hochschulreform

Der Artikel von Veit Feger: „Argumentation“ – zum Problem Streik der Studenten – vom 6. Juni 1968

Wird von Riehn noch kommentiert werden!

Impressum asta-information

Der Artikel von Veit Feger: „Wissenschaft, Sex und Kapitalismus“ vom 17. Oktober 1968

Wird noch von Riehn kommentiert werden:

Veit Feger Die Ideologie des ADS
Veit Feger Studentenbewegung

Persönlicher Rückblick von Veit Feger: Mein Bezug zu „Frankfurt 1968“

Als Hartmut Riehn, der Begründer der Website „Frankfurter Studentenbewegung“,  mir mitteilte, dass ich, Veit Feger, im Personenregister der „örtlichen“  Achtundsechziger vorkomme, fasste  ich einige meiner in den NullerJahren dieses Jahrhunderts  notierte „Erinnerungen“ zum Thema „Frankfurt 1968“ zusammen und stellte sie dem Sitenmacher zur Veröffentlichung zur Verfügung – voilà!. – Angaben zu meiner Person insgesamt können meiner Website http://veit-feger.homepage.t-online.de/ entnommen werden.

Ich wechselte im Frühjahr 1965 von der Uni München an die Uni Frankfurt, weil ich damals unbedingt den Philosophen Theodor Wiesengrund Adorno hören wollte.  Ich war zunächst mehrere Jahre in Frankfurt ein braver Student, war politische i°n°t°e°r°e°s°s°i°e°r°t, aber nicht e°n°g°a°g°i°e°r°t. Das ging so bis zum 2. Juni 1967, dem Beginn meines allgemein- und hochschulpolitischen Engagements…..

Ich gliedere meine hier folgenden Notizen über meinen Bezug zu „68“ wie folgt

2. Juni 1967 – Ich werde „politisiert“
Mein Versuch, eine Fachschaft der  Philosophie-Studenten zu gründen
Warum mir die Studentenbewegung suspekt wurde
2. Juni 1967

Ich gehe vom selben Ereignis aus wie die RAF, aber…

Einen großen Wandel nahm mein Leben an einem Freitagabend des Sommers 1967, dem damaligen 2. Juni. Im Fernsehraum des Studentenhauses sah ich die Demonstrationen von Berliner Studenten gegen den Schah von Persien und hörte die Nachricht: Ein Student namens Benno Ohnesorg ist von einem Polizisten erschossen worden. Diese  Nachricht bewegte mich wie nur wenige andere in meinem Leben  und gab diesem Leben eine andere Wendung als bis dahin vorgesehen. Ich hatte die Empfindung, die deutsche Demokratie, der deutsche Rechtsstaat, seine bis dahin vergleichsweise neuen  politischen Errungenschaften n°a°c°h den Schrecken des Nazi-Regimes, seien jetzt ernsthaft bedroht.  – Die späteren RAF-Leute (ebenfalls „Frankfurter“) sahen unseren Rechtsstaat nach dem 2. Juni nicht nur in Gefahr, sondern bereits erledigt; der „Nachfolgestaat“ sei zu b°e°k°ä°m°p°f°e°n.  – Ich, Veit Feger,  empfand  es als notwendig,  etwas gegen den erst d°r°o°h°e°n°d°e°n Verlust unseres Rechtsstaats zu tun. „2. Juni 67“: RAF und VF gingen vom selben Ereignis aus, deuteten  es aber verschieden.

Binnen einer Minute Mitglied des Studentenausschusses

Am ersten Arbeitstag nach den Schüssen, am folgenden Montagmorgen. morgens um 8 Uhr, betrat ich zum ersten Mal in meinem Leben die Räume des Frankfurter Studentenausschusses. Sie waren  leicht zu erreichen, lagen sie doch nur zwei Stockwerke unter meiner Studentenbude, sie lagen im Parterre des sogenannten „Studentenhauses“. Dieses selbst lag  direkt gegenüber dem Haupteingang des damaligen, in rötlichem Sandstein Anfang des 20. Jahrhunderts errichteten Hauptgebäude der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität.

Ich sagte zu dem  Mann im AStA-Büro (es war, wie sich rasch herausstellte, der Asta-Vorsitzende Klaus-Jürgen Birkholz): „Bitte, ich möchte irgend etwas tun, mich in irgendeiner Form politisch engagieren; ich möchte Flugblätter drucken und verteilen,  einfach etwas tun, was der AStA jetzt grad eben braucht.“  Birkholz, wie die anderen AStA-Funktionäre Mitglied des Sozialdemokratischen Hochschulbundes SHB, fragte mich, ob ich den Hochschulreferenten-Posten übernehmen wolle, dafür habe er  grad niemanden. Ich bejahte; ich wollte ja etwas tun, egal was.– Und so war ich an jenem Montagmorgen des 6. Juni binnen Minuten  Mitglied des Studentenausschusses der Uni Frankfurt. Als Hochschulreferent hatte ich mich um das Thema „Hochschulreform zu kümmern und hatte unter anderem die Aufgabe, bei der Uni-Hausverwaltung Hörsäle für größere studentische Veranstaltungen („teach-ins“) zu bestellen. Offiziell war nach dieser provisorischen Ernennung noch meine W°a°h°l durch das Studentenparlament erforderlich; das  geschah etwa zwei Wochen später.

Weil ich einem SHB-dominierten AStA angehörte, trat ich auch dem SHB und später sogar zeitweilig der SPD bei. Der Sozialistische deutsche Studentenbund SDS bildete damals eine Opposition im Studentenparlament, ebenso der kleine Liberale Studentenverband und der CDU-nahe RCDS.

Mit „Massenbewegung“ war es nicht so weit her, wie  gern getönt wurde

An dem hier beschriebenen raschen Einrücken in ein AStA-Amt  lässt sich ablesen, wie gering die Personaldecke bei linken Gruppierungen damals war – sogar  an der neben der FU Berlin „LINKESTEN“ westdeutschen Uni. Mein Ruckzuck-Einrücken in den AStA  wirft ein  Schlaglicht auf die früher häufig zu hörende Behauptung, die Studentenbewegung sei eine M°a°s°s°e°n°bewegung gewesen – Unsinn!

Einige einstige  SHB‘ler reüssieren

Der politisch fähigste Kopf im damaligen SHB war Konrad („Conny“) Schacht. Der Sohn eines nordhessischen Schulrektors war ein wahrer Hüne, von schönem, stattlichem, imponierendem Aussehen, von rhetorischer Kraft, gewandt auch im Umgang mit der „Feder“. Konrad brachte es später weit: zum persönlichen Referenten des hessischen Ministerpräsidenten Holger Börner, zum Berater im Kanzleramt, zum Chef der hessischen Landeszentrale für politische Bildung und vor der Pensionierung noch zum Ministerialdirektor im Wiesbadener Kultusministerium.

Weniger als Rhetor (wie Schacht), eher als S°c°h°r°e°i°b°e°r betätigte sich ein weiteres SHB-Mitglied, der es später zu einem beachtlichen Posten brachte: Wolfgang Streeck. Er wurde  Leiter des Max-Planck-Instituts für Sozialforschung in Köln. Auf seiner Website vermerkt er zwar ausführlich alle seine Publikationen; dass er aber mal zur Studentenbewegung gehörte, lesen wir nicht. Das stellte ich übrigens auch auf Websiten anderer einst in der Bewegung Engagierter fest: Wenn man nach diesem sicher mal  wichtigen Element der Identitätsbildung sucht –  man findet keine Zeile.

SHB-Mitglied Bernd Grass brachte es, wenn ich recht weiß, zu einem Posten beim Marktforschungsinstitut Infas, Rainer Erd wurde Jura-Professor in Darmstadt.  – Einige von uns brachten es also weit, aber andere „flippten aus“, endeten als Taxi-Fahrer, verschwanden völlig vom „Bildschirm“.

Ich bewunderte den Mut vieler meiner damaligen Mitstudenten; sie hatten es existentiell ungleich schwerer als ich. Diese Soziologie-Studenten  kümmerten sich um grundlegende Fragen unserer Gesellschaft, mit nur sehr geringer Aussicht auf einen späteren Posten, geschweige auf einen LUKRATIVEN Posten. E°i°n Grund für ihr (und auch mein) wissenschaftliches Interesse und politisches Engagement waren  die Rätsel, die b°e°d°r°ä°n°g°e°n°d°e°n Rätsel, die uns die (damals noch) jüngere deutsche Geschichte aufgab: das NS-Reich, der Nationalsozialismus. Auch die Hochschule als ein riesiger Irrgarten war (und ist vermutlich noch) purer Stress und reformbedürftig. MICH bewegten damals auch die hohen Zahlen von Psychischen Problemen unter Studenten.

Führende Leute im SDS

Als ASTA- und SHB-Mitglied,  als einer der fünf für ein Jahr gewählten Herausgeber der Studentenzeitung „Diskus“, als Philosophie- und Soziologie-Student kannte ich auch viele Mitglieder des Sozialistischen Studentenbundes; viele von ihnen studierten zudem  die selben Fächer wie ich.  Da waren Frank Wolff und KD Wolff, deren einer später wieder zu seinem geliebten Cello zurückkehrte; der andere wurde Verleger und edierte unter anderem eine ungewöhnlich qualitätvolle  Hölderlin-Ausgabe. Dann war da Hans-Jürgen Krahl, seiner stolzen Aussage nach ein Nachfahre des romantischen Dichters Novalis (von Hardenberg). – Krahl, wegen eines nichtfunktionierenden Auges und eines unsauberen Teints eher unansehnlich, war vom Charakter her umgänglich, unarrogant, witzig und der  intellektuellste unter den führenden Mitgliedern des SDS. Beim Notieren dieser Erinnerungen vierzig Jahre n°a°c°h 1968 (in den Nullerjahren) stellte ich fest, dass es im Internet gleich mehrere Websiten  gibt, die dem  Gedächtnis der Person und des Autors Krahl gelten.  Ein einstiger Frankfurter SDS-Mitkämpfer, Udo Riechmann (der auch auf  dieser Website vorkommt), bemühte sich damals, das von der Auflösung bedrohte Grab Krahls in Hannover zu erhalten.

Dann war da an der Frankfurter Uni natürlich der (damals) aktuelle „Import“ aus Paris, umgeben von der Gloriole besonderen Engagements in Frankreich: Daniel Cohn-Bendit: ein fröhlicher, direkter, witziger, auf angenehme Art sich selbst gefallender Typ. Er war mir damals sympathisch und ist es heute noch.

Ich kannte sogar ein wenig den in Berlin engagierten Rudi Dutschke von kürzeren Auftritten in Frankfurt und aus dem Fernsehen; ich kannte auch den damaligen Vorsitzende des liberalen Hochschulbundes und späteren RAF-Mann Rolf Pohle, damals an der Uni München.  – Ich erinnere mich auch an ein vollbärtiges SDS-Mitglied, das zur „Gesellschaft Jesu“ gehörte, das bei Adorno Philosophie studierte und regelmäßig von der Jesuiten-Hochschule Sankt Georgen (zwischen Frankfurt und Offenbach) an  die Uni Frankfurt kam. Er prahlte gern  damit, dass er dank seines Bartes locker in jede SDS-Leitungsversammlung reingehen könne. – Ein noch junges SDS-Mitglied war damals Detlev Claussen, ein Adornit, der im Adorno-Jubiläumsjahr 2004 (100. Geburtstag) eine Adorno-Biographie vorlegte.  Natürlich kannte ich auch Leute wie den späteren Sex-Aufklärer Amendt, etc.

Meine „Diskus“-Bekannten

Zweimal je ein Jahr war ich Mitherausgeber der Studentenzeitung „Diskus“. Diese war in den 50er Jahren überregional bekannt geworden durch ihren kunstorientierten Teil, durch die Veröffentlichung von Bildern Ror Wolfs oder von Gedichten Ernst Jandls und anderer später berühmt gewordener „Kunstschaffender“.

 Aus jener eher a-politischen Zeit des „Diskus“ waren 1968 David Wittenberg und Bazon Brock (später Ästhetik-Professor in Hamburg) in meine Diskus-Zeit überkommen. Ihre Bedeutung wurde in dieser Hoch-Zeit der Studentenbewegung (68 – 69 und 70 – 71) zurückgedrängt durch die zunehmende „Politisierung“ der Redaktion.

Ein fähiger Mitarbeiter der Redaktion waren damals mein Freund Arno Müller (später Fachhochschul-Professor), Antonia Grunenberg (Schwester der damals schon berühmten ZEIT-Journalistin Nina Grunenberg, später  Politikwissenschafts-Professsorin in Aachen und Oldenburg und Vorsitzende der Ossietzky-Gesellschaft), Rainer Erd (später Jura-Prof), Hubert Rottleuthner, später Jura-Professor in Bremen, und noch einige weitere Studenten, die sich später einen  überregionalen Ruf erwarben.

Wir veröffentlichten damals im „Diskus“ immerhin Texte von Prof. Habermas und von seinen ebenfalls schon zumindest in der Studentenbewegung bekannten Assistenten Negt und Offe (später beide ebenfalls Profs). Negt schrieb  später, als alter Mann, auch ein (in meinen Augen unsäglich trockenes) Buch über die Studentenbewegung.

„Diskus“-„Herausgeber“ sein bedeutete unter anderem, dass man die zu setzenden Manuskripte in die Druckerei fahren „durfte“, die gesetzten Texte korrigierte  oder auch fürs Auslegen der gedruckten Exemplare besorgt war.

Einige weitere Autoren, die mit der Studentenbewegung in Frankfurt zu tun hatten

Aus meinen „Erinnerungen“ und einem internettig veröffentlichten Aufsatz über Autoren, „die ich kannte oder kenne“
(http://veit-feger.homepage.t-online.de/buechau.htm ) sei hier ein wenig zitiert.

Lutz Unterseher war, könnt man scherzen,  der Beau im damaligen (Achtundsechziger) Frankfurter SHB: immer mit Jacke, Krawatte, Hemd, Bügelfaltenhose, immer mit cooler Miene, coole Sprüche äußernd, süffisant lächelnd. Mit seinem Auftreten hätte er auf die Seite des Klassenfeindes gepasst  (smiley). – Ich schaue jetzt, 2021, im Internet nach und finde über Lutz  einige biographische Notizen: Er. „untersucht die Problematik des Rüstungsbedarfs und seiner Bestimmung. Er legt am Beispiel von Projekten taktischer Kampfflugzeuge dar, wie in Europa wichtige Waffensysteme beschlossen und entwickelt werden.“ „Dr. Lutz Unterseher ist Politikwissenschaftler und Soziologe, international tätiger Politikberater in Fragen der Streitkräfteplanung, Lehrtätigkeit an den Universitäten Münster und Osnabrück sowie an Militärakademien“. –„ Dr. Lutz Unterseher… is personal advisor to the Social Democratic rapporteur on the defense budget in the German Bundestag and has been a visiting lecturer and consultant with the Austrian Army, the Federal German Army, and the British Army’s Sandhurst Academy. His most recent books are, with Völker Kroning and Günter Verheugen (Hrsg.), Defensive und Intervention: Die Zukunft Vertrauensbildender Verteidigung (1998), and in English, Confidence-Building Defense: A Comprehensive Approach to Security & Stability in the New Era, with Carl Conetta and Charles Knight (1994). Formerly Dr. Unterseher was a personal assistant to the Federal Minister for Research and Technology and head of the Organization Studies Department of the Institute for Applied Social Research, Bonn.“  (siehe auch das Wiki über ihn).

Charismatiker im SHB, später bei der  „Toskana-Fraktion“: Konrad Schacht.  –  Vom einstigen Frankfurter SHB-Vorsitzenden „Conny“ Schacht besitze ich das von ihm mitherausgegebene Buch  „Protestwähler und Wahlverweigerer“ (1992). Konrad Schacht war zuletzt leitend tätig  im Hessischen Kultusministerium.  Seinen ersten wichtigen Sprung in die höhere Politik tat er als persönlicher Referent des im Sommer 2006 verstorbenen einstigen hessischen Ministerpräsidenten Holger Börner. K. Schacht  erzählte mir  mal, er sei von dem oberschwäbischen Schriftsteller Martin Walser in einem seiner Romane gut erkennbar porträtiert.  Konrad war – zumindest im Ruhestand – gern in Italien; man könnte ihn zur deutschen „Toskana-Fraktion“ zählen :-).

Der erste Frankfurter Achtundsechziger, der auf die „Gegenseite“ wechselte:  Michael Schwarze. Von ihm besitze ich den Suhrkamp-Band „Weihnachten ohne Fernsehen – Kulturpolitische Essays, Glossen, Porträts. Mit einem Nachwort von Joachim Fest, dem einstigen FAZ-Herausgeber. – 240 Seiten, 1984.  – Schwarze war „zu meiner Zeit“ (67/68) Mitglied im Sozialdemokratischen Hochschulbund und Mitglied der Diskus-Redaktion. Er war der erste von uns, dem der Aufstieg in die „Besseren Kreise“ gelang: Er gab zunächst die neugegründete, gewissermaßen „regierungsoffizielle“ Studentenzeitung der Universität  Frankfurt heraus, eine  von „oben“ dominierte Konkurrenz zum linkslastigen „Diskus“.  Von diesem Job  aus konnte er in die FAZ „einsteigen“. Noch nicht vierzigjährig starb er im Jahr 1984.

Nicht allgemein bekannt ist vielleicht, dass die wohl wichtigste weibliche „Ikone“ der linken US-amerikanischen Protestbewegungen  während der Hohen Zeit von „68“ ein Jahr lang in Frankfurt studierte: Angela Davis. Sie kam nach Frankfurt, genauer zu Adorno, weil sie zuvor in Kalifornien bei dem einstigen Heidegger-Schüler und linken Kulturkritiker Herbert Marcuse studierte hatte. Mit ihrem wilden Haarschopf fiel sie im Adorno-Seminar, in Hörsälen oder bei Demo’s sofort auf. – Über sie braucht hier nichts weiter erzählt zu werden; es gibt über sie  im Internet genug nachzulesen.

„Muff unter den Talaren“

Von außerhalb Frankfurts kannte ich u.a. den AStA-Vorsitzenden der Uni Hamburg, Detlev Albers. Er war einer der „Auftakt-Veranstalter“ der Uni-reform-bezogenen Studentenbewegung: Albers versuchte, für die Ziele der Studenten zu werben, indem er bei einer universitären Veranstaltung Hamburger Ordinarien, angetan mit ihrer mittelalterlichen Repräsentationskleidung, also mit Talaren und Baretten, ein Transparent hochhob mit dem Text: „Muff von tausend Jahren – unter den Talaren“. Dieses Foto lief damals durch die ganze deutsche, vielleicht sogar die internationale Presse; das Foto erhielt  geradezu Kult-Status und ist auch heute sofort im Internet findbar.  – Albers wurde später, Ironie der Geschichte,  selbst Professor. – Er war ein sehr lieber, sehr feiner,  höflicher, in der Statur zarter, blasser, hellblonder junger Mann – alles andere als ein  bärtiger, ungewaschener Revoluzzer.

Joschka am Fuß der Redner-Tribüne

Ein kleiner Mitläufer im damaligen SDS war ein Struwwelkopf, der es  später zum Außenminister und Vizekanzler der Bundesrepubik brachte, Joschka Fischer. Dieses  Studentle fiel mir damals, Ende der Sechziger bei Teach-ins auf, weil er häufig am Fuß von irgendwelchen Rednertribünen stand, auf denen linke Heroen sprachen. D – damals noch “namenlose‘ – Student schaute sehnsüchtig zu den Rednern hoch. Ich hatte damals den Eindruck: „Der würde liebend gern selbst da oben stehen.“ – Ich verlor dieses SDS-Mitglied dann aus den Augen und aus dem Gedächtnis. Joschka Fischer engagierte sich nach der „Hochzeit“ der 68er unter den „Werktätigen“ und in der Häuserkampf-Szene. Später, Mitte der Achtziger Jahre, als Fischer im Wiesbadener Landtag als  Minister vereidigt wurde, sah ich sein Foto in den Medien; ich dachte mir: Verdammt, den kennste doch! Und dann fiel mir ein, dass ich ihn fünfzehn Jahre früher des öfteren stehend am Fuß von „linken“ Frankfurter Rednertribünen gesehen hatte.

Bei einem Sit-in übernehme ich mich

Mein größter studentenbewegter Auftritt war einer, bei dem es darum ging, etwas Hochschulpolitisches zu erzwingen (ich weiß zu meiner Schande nicht mehr, was). Ein das damalige Hessen betreffendes, aber wegen seiner Brisanz deutschlandweit berühmtes Konfliktthema war die sogenannte Drittelparität. Der hessische Kultusminister wollte der progressivste in Deutschland sein und entwickelte ein Gesetz, demzufolge es in universitären Entscheidungsgremien eine Gewaltenteilung geben solle: ein Drittel der Stimmen den Ordinarien, ein Drittel für gewählte Repräsentanten des sogenannten akademischen Mittelbaus (habilitierte Nicht-Ordinarien und Assistenten), ein Drittel für gewählte studentische Vertreter. Die Repräsentanz der zwei letzteren Gruppen im „Fakultätsrat“ wurde dann im endgültigen Gesetz vermindert. –  Bei einer hochschulpolitischen Demo vor dem damaligen Haupteingang des Uni-Hauptgebäudes  sagte ich, wohl als Repräsentant des Asta oder des SHB oder der Philosophie-Fachschaft,  von einer Tribüne herunter. „Wir werden hier vor dem Eingang sitzen bleiben, bis unsere Forderungen erfüllt sind!“. – Eine Stunde später waren alle Sit-inner abgezogen und die Uni auch durch den Haupteingang wieder frei zugänglich.  Ich schämte mich nun wegen meiner großen Worte und sagte  mir: So voll solltest du den Mund nie mehr nehmen!

Der Professor ist aufgeschlossener als seine Studenten

Ein bemerkenswertes Erlebnis hatte ich als AStA-Abgesandter eines Tages während der „heißen“ Phase der Studentenproteste in der Medizinischen Fakultät, deren Lehr- und Verwaltungsräume auf der Südseite des Mains lagen, ziemlich weit vom Uni-Hauptgebäude entfernt. – Ich weiß nicht mehr, was der Anlass für meine Fahrt auf die Main-Südseite war, aber es ging um irgend ein dringendes Problem, und im AStA wünschte man, dass auch die Mediziner, die ihre Hörsäle ja mehrere Kilometer von der Uni entfernt hatten, zu einer großen Veranstaltung beim oder im Uni-Hauptgebäude nahe  der Senckenbergstraße kommen. Ich sollte zu den Klinik-Hörsälen gehen und direkt in diesen Hörsälen für den Besuch einer Veranstaltung am gleichen Tag auf dem „Campus“ werben. – Mein Auftritt wurde ein Fiasko. Als ich kurz vor Beginn einer Vorlesung in einem Hörsaal mein Anliegen vortragen wollte, wurde ich von den Studenten ausgebuht; sie wollten ihre Vorlesung hören, aber bitte nix von Studententhemen. Verrückt:  Der Gynäkologe Prof. Dr. Käser, ein Schweizer (was vielleicht einiges erklärt), sagte nach diesem Ausbuhen meiner Person durch die Medizinstudenten: „Bitte, schenken Sie diesem Herrn kurz Gehör; ich gebe  gern von meiner Vorlesungszeit einige Minuten ab.“ – Die Studenten im Saal hörten sich dann meine allenfalls drei, vier Minuten dauernde Bitte an, zu einer studentischen Veranstaltung ins Uni-Hauptgebäude zu kommen. – Fazit: Der Professor war unvergleichlich liberaler als seine Studenten. –  Welche Erkenntnis muss  man daraus ziehen: Man darf die Bedeutung der Studentenbewegung für die damalige GESAMT-Studentenschaft keinesfalls zu hoch ansetzen.

Siehe hierzu auch den Bericht von Birkholz in einer Publikation von Udo Benzenhöfer über die Proteste von Medizinstudenten in Frankfurt am Main um 1968 (Seite 103).

Eine Kundgebung in Paris für inhaftierte spanische Kommunisten

Das wohl ungewöhnlichste Erlebnis meiner „politischen“ Zeit in Frankfurt betraf eine Zwei-Tage-Fahrt nach Paris – es wird 1968 gewesen sein. In Paris hatte sich ein ziemlich linkes  Komitee gebildet, das internationalen Druck auf die spanische Regierung (damals noch General Franco) ausüben wollte, mit dem Ziel der Freilassung von Menschen, die damals bereits seit dreißig Jahren in Haft saßen: Kämpfer der einstigen spanischen Republik gegen die schlussendlich obsiegenden Falangisten. Die französischen Initiatoren des Komitees wandten sich auch an den Frankfurter Studentenausschuss (wie an einige andere in Deutschland) mit der Bitte um öffentliche Solidarisierung. Als einer der wenigen oder als einziger deutscher Studentenausschuss beteiligte sich der FRANKFURTER AStA an der Kundgebung; ich, Veit Feger, sollte nun in Paris die Frankfurter Studenten repräsentieren, zusammen mit einer Assistentin  der Fachschaft Romanistik (Rheinberger?) für den sogenannten „Mittelbau“ und mit einem Professor der Pädagogischen Hochschule, der aus einer Familie von Widerständlern stammte, Heinz Joachim Heydorn, ein überaus sympathischer, gut sechzigjähriger Mann, spontan, herzlich, und unter anderem ausgebildeter Sinologe. – Wir drei fuhren in einer einzigen Nacht nach Paris (in einem vom AStA angemieteten Auto)  und nahmen dann zwei Tage lang in einem zentralen Saal der Metropole  an diesem Kongress  teil.  Zu den Präsidenten der Kundgebung gehörte der Physik-Nobelpreisträger André Lwoff und mindestens ein weiterer Laureat. Ich hatte eine Grußadresse der Frankfurter Studentenschaft zu überbringen. – Ein Jahr später ließ die Franco-Regierung die letzten Inhaftierten des Bürgerkriegs frei. Vielleicht war das auch eine Folge dieses damals international beachteten Kongresses. 

 Mein Versuch, eine Fachschaft der  Philosophie-Studenten zu gründen

 Eine meiner politischen Haupttaten (wenn man das so sagen will) war die Gründung einer eigenen Studentenvertretung für die Hauptfach-Philosophiestudenten, die Gründung einer sogenannten Fachschaft, wie sie damals im Gefolge der Studentenbewegung auch in anderen Teilen der Uni entstanden. In diesem Fachschaftsgründungsversuch kristallisierte sich mein h°o°c°h°°s°c°h°u°l°reformerisches Interesse. Die Hoffnung, die ich mit dieser Gründung verknüpfte, vor allem die Forderung nach mehr Offenheit und Transparenz bei Besetzungsverfahren, war gerechtfertigt,  aber, wie sich rasch herausstellte,  realitätsfern. Auch unter den Studenten, gerade unter den FÄHIGEN, die BERUFSphilosophen werden wollten, fand ich zu wenig PRAKTISCHE Zustimmung für meine Ziele: Die besten jungen Leute wollten eben selbst gern in die bestehende Uni-Struktur eintreten und dort  einen Job finden. Sie taten alles, um selbst Assistent zu werden oder, wenn sie es schon waren, angestellt zu b°l°e°i°b°e°n. Sie verhielten sich eher einzelkämpferisch als „gewerkschaftlich“. – Ich war enttäuscht.

Der enttäuschte Reformer wendet sich der G°e°s°c°h°i°c°h°t°e des Fachs zu

Die vorstehend benannte Enttäuschung wollte ich – in meiner Verzweiflung – in eine Doktorarbeit umzumünzen. Ich plante, die verschiedenen Organisationen, in denen in Europa seit der Antike philosophiert wurde, darzustellen und zu vergleichen. Schlíeßlich, so mein Gedanke, entscheide die Organisationsstruktur, in der philosophiert werde, auch  über Inhalte des Philosophierens, zuminderst über solche Aspekte wie Prüfung, Kontrolle, Durchsetzung, Akzeptanz. –  Die platonische Akademie oder der sogenannte Peripatos unter Aristoteles‘ Leitung waren (organisatorisch betrachtet) etwas anderes als die spätrömischen, vom Staat errichteten Philosophie-Lehrstühle. Abälards Vorträge in einer Pariser Kirche oder gar unter freiem Himmel im 12. Jahrhundert unserer Zeitrechnung waren etwas anderes als formalisierte Disputationen im 16. Jahrhundert. Wieder etwas anderes war das Philosophieren an englischen Colleges und an deutschen Universitäten oder in den Zirkeln freisinniger Geister der italienischen Renaissance unter dem Patronat eines reichen Stadtherrn.

Stichwort „Disputation“. Dieser Versuch, philosophische Diskurse zu FORMALISIEREN, gefiel mir sehr. Ich fand die Verurteilung dieser DiskussionsFORM durch zahlreiche,  vor allem literarisch gebildete Renaissance-Schriftsteller snobbisch.  Ein größeres Kapitel meiner Diss. galt daher der Geschichte dieses wohl wichtigsten FORMALEN Organisationselements der abendländischen Philosophie. – Ein weiteres Kapitel dieser Diss galt der universitären Philosophie im Dritten Reich und der NICHT-Aufarbeitung der eigenen Fach-Geschichte durch deutsche Philosophen n°a°c°h  1945. – Ich schrieb zwar lang und viel an dieser Diss, brachte sie aber nie zu Ende, sondern kümmerte mich um (inzwischen in mein Leben getretene) Ehefrau und Nachwuchs und arbeitete ab 1975 in der elterlichen Zeitung in Ehingen/Donau.

Veit Feger: Was eine „Phil-Fak“ und ein oberschwäbischer Dorfgemeinderat miteinander gemeinsam haben

Als Fachschaftsgründer und -sprecher wurde ich  – nach dem Wirksamwerden der Hochschulreform in Hessen in die sogenannte „Philosophische Fakultät“ gewählt; das war ein Gremium  aus allen Ordinarien des Fachs, aus zwei Vertretern des sogenannten Mittelbaus (Habilitierte Nicht-Ordinarien und Assistenten) und aus zwei Studenten;  einer der zwei  Studenten war ICH. Ich erlebte vielleicht zwei Sitzungen mit – dann ging diese Mitgliedschaft zu Ende;  warum – das weiß ich nicht mehr. Ich empfand in diesen Sitzungen folgendes: Die  Koryphäen der Uni, die Ordentlichen öffentlichen Professoren, sind d°a°n°n, wenn sie ein fächerübergreifendes Problem zu diskutieren haben, anderen Leuten in diesem Land geistig nicht voraus. Ich dachte damals: Wenn du hier, mit diesem  – nicht gerade umwerfend hohen – Maß an Rationalität, bedient wirst, dann kannst du dich später auch in einen oberschwäbischen Dorfgemeinderat setzen; du bist da nicht abgestuft.

Warum mir – Veit Feger – die Studentenbewegung suspekt wurde:
Portugiesinnen kratzen die Zigarettenstummel der studentischen Heroen vom Boden

Meine Tätigkeit als Hochschulreferent, insbesondere meine  Aufgabe, die Hörsäle für Teach-ins zu buchen, trug  zu meiner inneren Distanzierung von der „Bewegung“ bei.  Ich fühlte mich, weil ich die Hörsäle  bei der Uni-Verwaltung angemietet hatte, auch für die ordentliche Rückgabe an die Uni-Hausverwaltung mitverantwortlich. Waren die Teach-ins zu Ende, sah ich, wie die von der Hausverwaltung engagierten Putzfrauen kamen und mit Saubermachen des Hörsaals begannen. Es waren vor allem Frauen aus Portugal. Ihrer Körpergröße oder genauer: Körper°k°l°e°i°n°h°e°i°t sah man an, dass sie bescheiden, ja, oft hungrig aufgewachsen waren.  Diese durchweg kleinen Frauen mussten nun unter die Bänke  kriechen und die Zigarettenstummel vom Boden abkratzen, Stummel, die die studentischen Helden dort mit herrischer Geste ausgedrückt hatten. Ich dachte mir damals: Wenn diese Revolutionsführer sich nur ein klein wenig umgeschaut hätten, hätten sie gesehen, wie viel unnötige Arbeit sie diesen sogenannten Gastarbeiterinnen machen. Eine solche Form der Aufmerksamkeit wäre freilich das letzte gewesen, was die künftigen Weltenlenker von sich verlangt hätten. SIE repräsentierten den Weltgeist, das Vorrücken der Menschheit zu neuen Ufern; weshalb sich da um die Alltagsarbeit von so ein paar Gastarbeiter-Frauen kümmern?! Ich dachte mir damals auch: Wenn man für eine NEUE, POSTrevolutionäre Gesellschaft Sensibilität benötigt (man benötigt sie), dann sind wir mit diesen studentischen Kadern nicht besser dran als mit ihren bürgerlichen Eltern, die die CDU wählten  und zuvor vielleicht schon die NSDAP.

Der „Gang durch die Institutionen“

Zur Politik des Sozialdemokratischen Hochschulbundes gehörte der „Gang durch die Institutionen“. Das bedeutete: Eintritt in die SPD und der Versuch, einen Ortsverein zu „übernehmen“, um so und von innen heraus langfristig die SPD umzukrempeln, kurz: um sie linkser zu machen. Ich trat also ebenfalls in die SPD ein und wählte in einem Ortsverein der Innenstadt einen neuen Ortsvorstand mit. Ich fand dieses „putschistische“ Vorgehen schon damals beschämend, beteiligte mich aber doch.

In Ehingen (ab 1975) verbarg ich meine Zugehörigkeit zur Studentenbewegung für lange Zeit. Ich hatte  Grund dazu. Im Herbst 75, als ich nach Ehingen kam, predigte der damalige Pfarrer einer  katholischen Kirchengemeinde bei Ehingen  von der Kanzel herab, jetzt breche hierzulande die Revolution aus, weil in der  angestammten Zeitung der Nachfolger des  bisherigen Verlegers direkt von der Uni Frankfurt komme. „Frankfurt“ – das galt als Zentrum der neuen Revolutionäre.

Südwest Presse 28. März 2014

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